Gestern, heute - jetzt
schon sein, dass ich damals ein wenig melancholisch war“, gestand Gabrielle. „Was kann ich zu meiner Verteidigung sagen? Ich war süße sechzehn und zum ersten Mal geküsst worden. Außerdem hatte man mich an einen Ort verbannt, den ich zunächst wie das Ende der Welt empfand. Es war nicht unbedingt eins meiner besten Jahre, aber es hatte sein Gutes“, fügte sie mit einem leisen Lächeln in Richtung ihres Bruders hinzu. „Der Wein ist gut“, sagte sie dann an Simone gewandt. „Sehr gut sogar.“
Simone glaubte ihr. „Ich freue mich darauf, ihn zu kosten. Sollen wir uns in der Zwischenzeit ansehen, welche Weißweine zur Auswahl stehen?“ Rafe ignorierend, versuchte sie, sich auf die vor ihr liegende Aufgabe zu konzentrieren. Was hatte Gabrielle zu ihrem Snack auf dem Zimmer gewünscht? „Einen Semillon Blanc?“
Gabrielle nickte und blätterte die Karte durch, bis sie zu der entsprechenden Rubrik kam. Simone warf einen Blick über die Schulter ihrer Freundin auf die Liste. Es war eine sehr lange Liste. Die meisten Weine stammten aus Australien. Sie wusste nichts über australische Weißweine. „Etwas Regionales?“
„Nicht aus dieser Region“, schaltete sich Rafe plötzlich ein. „Hier wird hauptsächlich Rotwein angebaut, kein Weißwein. Und wenn er dem Caverness-Champagner gewachsen sein soll, dann schlage ich vor, dass ihr euch dem Ende der Liste zuwendet. Diesen hier.“ Er deutete auf eine bestimme Marke. „Oder diese beiden.“
Gabrielle schüttelte den Kopf. „Hast du den Preis gesehen? Ich kann nicht von Harrison verlangen, dass er so viel für den Wein ausgibt.“
Harrison war Rafes und Gabrielles Vater, erinnerte sich Simone. Josien hatte ihm den Zugang zu seinen Kindern verwehrt, doch als Rafe Caverness verlassen hatte, wurde er von Harrison mit offenen Armen in Australien empfangen. Genauso wie Gabrielle später von ihm willkommen geheißen worden war. Ein großzügiger Mann, dachte Simone. Und sehr geduldig. Was züchtete er noch mal? Irgendeine bestimmte Rindersorte. Der Rindermarkt war einem ständigen Auf und Ab unterworfen. „Bitte Luc darum, den Wein zu bezahlen“, schlug sie vor.
„Bitte mich“, erklärte Rafe mit einem schiefen Grinsen, das Wehmut in Simone auslöste. „Wie oft willst du heiraten, Engel?“
„Einmal“, versetzte Gabrielle fest.
„Dann mach es richtig“, riet er ihr sanft. „Harrison wird zahlen. Versuch mal, ihn davon abzuhalten. Oder mich.“ Er warf einen kurzen Blick auf Simone. „Wir brauchen kein Duvalier-Geld.“
„Ist Stolz nicht eine Todsünde?“, konterte sie. „Ich habe so was gehört.“
„Wenn du länger bleibst“, versetzte er, „gebe ich dir eine Kostprobe von allen sieben.“
„Wie du meinst.“ Simone erlaubte sich eine kleine Träumerei. Rafaels Mund auf ihrem, heiß und fordernd. Ihre Hände auf seiner Haut, leidenschaftlich und fieberhaft. Das Verlangen, das sie erfasste, war so groß, dass sie Vorsicht und Vernunft über Bord warf. Konnte sie seine eiserne Kontrolle aufbrechen? „Kann dann Lust als Nächstes kommen?“
„Oh, Himmel“, stöhnte Gabrielle. „Tut doch einfach so, als wäre ich nicht hier. Wobei mir gerade einfällt, dass ich noch einen sehr wichtigen Termin habe.“
„Bleib“, riefen Simone und Rafe beide wie aus der Pistole geschossen.
„Es war deine Idee, erinnerst du dich?“, fügte Simone hinzu.
„Was zur Hölle habe ich mir dabei nur gedacht?“, sinnierte Gabrielle. „Oh, ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich wollte euch beiden helfen, vor meiner Hochzeit eine Art Waffenstillstand zu schließen. Wie dumm von mir.“
Simone fühlte einen Stich der Reue. Er vermischte sich überraschend gut mit dem Verlangen für Rafe. Grund dafür war vermutlich die unterdrückte Katholikin in ihr. „Es tut mir leid, Liebes. Ich verspreche dir, dass ich mich benehmen werde.“
In diesem Moment tauchte Inigo mit einem Eiskühler in der einen und einer Rotweinflasche in der anderen Hand auf. „Höre ich die zufriedene Stille, die einer raschen Entscheidung folgt?“, fragte er hoffnungsvoll, während er die Flaschen auf dem Tisch abstellte.
„Nicht ganz“, dämpfte Gabrielle seine Erwartung. „Aber wir haben die Auswahl auf drei eingekreist.“
„Auf welche?“
Gabrielle nannte ihm die Weine.
Inigo strahlte. „Sie werden nicht enttäuscht sein. Allerdings habe ich jetzt schon Angst davor, wie lange Sie brauchen werden, um aus diesen dreien einen auszuwählen“, fügte er hinzu und
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