Gestern, heute - jetzt
gegeben. Auch wenn er sich manchmal unmöglich benimmt“, seufzte sie, „so will er doch nur mein Bestes. Seine Einladung würde ich als Zeichen werten, dass er versucht, Frieden mit dir zu schließen. Ob es ihm gelingt, steht auf einem anderen Blatt. Aber zumindest versucht er es.“
Simone rieb sich die Schläfe, ehe sie sich durch die Haare strich. Sie hatte eine schlaflose Nacht hinter sich und einen anstrengenden Vormittag. Jetzt brauchte sie unbedingt eine Strategie, wie sie mit Rafe umgehen konnte und dennoch ihr Herz vor ihm schützte. Bislang hatte sie noch keine Idee.
„Er ist sehr gut , wenn es gilt, Frauen in Not zu retten“, wusste Gabrielle. „Das liegt an seinem überdimensionierten Beschützerinstinkt, der während dieser Kindheit perfektioniert wurde, die er so unbedingt vergessen will. Könntest du nicht einfach …“
„Nein“, erklärte Simone sofort. An Rafaels Verletzlichkeit appellieren – den Beschützerinstinkt, wegen dem sie ihn einst sosehr geliebt hatte –, und das als Schwäche ausspielen?
„Nein, Gabrielle. Das kann ich nicht.“
Um zehn vor vier war der Baum gefällt, der Zaun repariert und die Erlösung, die Rafe in der harten körperlichen Arbeit gesucht hatte, meilenweit entfernt. Seine Schultern schmerzten, das T-Shirt klebte an seiner schweißnassen Haut, und es war ihm ein völliges Rätsel, warum er sich von Gabrielle dazu hatte überreden lassen, ganz allein mit Simone Zeit zu verbringen.
Er sehnte sich nach einer kalten Dusche, einem kühlen Bier, und er wollte einfach nur sein Angebot vergessen, Simone das Weingut zu zeigen, das er vor dem Ruin bewahrt hatte.
Er wollte eine Frau, warm und willig. Eine, in der er sich für kurze Zeit verlieren und der er hinterher den Rücken kehren konnte.
Nicht die sinnliche und furchtlose Simone, die Begierden in ihm auslösen würde, die viel zu tief gingen.
Nein, nicht Simone.
Rafe fluchte unterdrückt, während er den Anhänger belud und in Richtung der Weinkellereien fuhr. Mit ein bisschen Glück hatte Simone es sich vielleicht anders überlegt und tauchte überhaupt nicht auf.
Ein silbergrauer Audi parkte direkt neben dem Eingang zu den Kellereien.
Eine junge, dunkelhaarige Frau in schulterfreiem rotem Sommerkleid lehnte an der Motorhaube und wartete auf ihn.
Doch kein Glück.
„Ein Baum?“, fragte sie, sobald er vor ihr stand.
„Und ein Zaun.“ Er hatte sie ja vorgewarnt, dass er schmutzig sein würde. Immerhin befand sich drinnen ein Waschbecken, und im Wagen lag noch ein frisches T-Shirt. Rasch schnappte er sich das Oberteil und ging auf die Tür zu. „Komm mit.“
Simone folgte ihm in das Gebäude, das sich zwar nicht mit der Faszination der Höhlen von Caverness messen konnte, sich aber gut in die Landschaft einfügte. Die wild zusammengewürfelten Möbel des Verkostungsraums besaßen außerdem einen rustikalen Charme.
„Gib mir fünf Minuten, um mich zu waschen, ehe ich dir die Fässer zeige“, sagte Rafe, während er bereits ein Waschbecken hinter der Bar ansteuerte.
„Natürlich.“ Was sein Aussehen anbelangte, hatte er nicht zu viel versprochen. Schmutz oder nicht, Rafael Alexander war ein atemberaubend schöner Mann.
Und das wusste er. Wie sollte es auch anders sein?
Doch es war nicht das Aussehen allein, das ihn so außergewöhnlich machte. Da gab es noch eine Menge mehr. Er strahlte eine angeborene Freundlichkeit aus, die manchmal mit der Heftigkeit seiner Gefühle im Widerstreit lag. Einen Beschützerinstinkt, der durch seine schlimme Kindheit ausgebildet worden war. Einen unbedingten Willen zum Erfolg, der manchmal an Besessenheit grenzte, und wenn er seine Aufmerksamkeit auf eine ganz bestimmte Person fokussierte … nun, so etwas konnte eine Frau nur schwer vergessen.
Ihr war es nie gelungen.
Simone nahm auf einem der Hocker an der Bar Platz und hegte die volle Absicht, die Weinkarte zu studieren. Vielleicht wäre es ihr sogar gelungen, wenn Rafael nicht genau diesen Augenblick gewählt hätte, um sein T-Shirt auszuziehen.
Simone stockte der Atem. „Dein Rücken …“, keuchte sie.
Er erstarrte zwar, drehte sich aber nicht zu ihr um.
„Hast du etwas gegen Tätowierungen?“, fragte er ruhig.
„Nein.“ Gott, nein. „Es ist wunderschön. Aber diese Worte …“
Schau niemals zurück.
Er wusch sich Gesicht und Arme. Danach ließ er sich reichlich Zeit dabei, nach einem Handtuch zu greifen und sich zu ihr umzudrehen. „Was ist damit?“
„Sie wirken so …“ Wie sollte
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