Gestern, heute - jetzt
wusste die entsprechenden Anzeichen zu deuten.
Ein cleverer Vater würde die Chance nutzen und zu dem wahren Rafael vordringen.
Eine Frau, die ihn liebte, würde die Gelegenheit ebenfalls ergreifen.
Simone begleitete Rafael und Etienne zur Tür. Als der König hinaustrat, tauchte urplötzlich wie aus dem Nichts heraus eine Entourage aus Leibwächtern in dunklen Anzügen auf. Noch mehr Männer patrouillierten an der inneren Festungsmauer. Weitere Sicherheitsleute standen in den Schatten des äußeren Festungswalls und rührten sich nicht vom Fleck.
„Waren diese Männer schon da, als wir hier ankamen?“, fragte Simone, während sie und Rafael Etiennes davonbrausender Fahrzeugflotte hinterherblickten. Bei ihrer Ankunft waren ihr keine Leibwächter aufgefallen, doch es befanden sich immer noch welche im Weingut, obwohl Etienne bereits abgefahren war.
„Ein paar von ihnen“, antwortete Rafael. „Ich habe heute Nachmittag mit dem Leiter der Security gesprochen. Er hat weitere Männer angefordert.“
„Weil Etienne zu Besuch kam?“
„Weil es mehr zu beschützen gibt, seit du hier bist.“
Ganz automatisch legte Simone eine Hand auf ihren Bauch. „Gibt es eine Bedrohung, von der ich wissen sollte?“
„Nein. Maracey nimmt die Sicherheit seiner königlichen Familie sehr ernst, das ist alles“, beruhigte er sie. „Es steht im Handbuch für Prinzen – im Kleingedruckten.“
„Und was steht sonst noch in diesem Handbuch?“, fragte Simone misstrauisch.
„Überwachungskameras in jedem Zimmer, gepanzerte Fahrzeuge und Vorkoster …“
„Wie bitte?“
Rafael grinste breit. Simone warf einen Blick auf ihn und boxte ihn in die Seite.
„Okay, vielleicht habe ich gescherzt, was die Vorkoster anbetrifft“, gab er zu.
„Die Sache mit den Überwachungskameras in jedem Raum ist besser auch ein Scherz“, versetzte sie.
„Was hältst du davon, wenn ich dir sage, wo keine Kameras sind?“
„Was hältst du davon, wenn du mir zeigst , wo sie nicht sind?“
Rafael grinste erneut und erhellte damit Simones Nacht. Kein Zweifel, sie und das Baby waren ihm aufgebürdet worden. Aber manchmal schaffte er es mit einem einzigen Blick oder einem Lächeln, ihr das Gefühl zu geben, dass er ihre Gesellschaft genoss.
Und wie.
Darauf konnte eine Frau aufbauen. Sie konnte hoffen.
In einvernehmlichem Schweigen gingen sie ins herrschaftliche Schlafzimmer. Sobald sie dort angelangt waren, inspizierte Simone die Decke und die Ecken nach Überwachungskameras.
„Hier gibt es keine“, beteuerte Rafael, der sie vom Türrahmen aus beobachtete.
Umso besser.
Simones Gepäck war schon früher in die Suite gebracht und ordentlich im Schrank verstaut worden. Zum Dinner hatte sie sich hier umgezogen und in dem Raum ein kleines Chaos hinterlassen. Ihre Handtasche lag neben dem Frisiertisch auf dem Boden. Ein Schal war achtlos über einen Stuhl geworfen worden. Hilfreich war, dass Rafael das Zimmer noch nicht zu dem Seinen gemacht hatte. Hier waren sie beide Fremde. Simone warf ihm einen Seitenblick zu.
Seine Unbeweglichkeit sprach Bände. Er hatte sich keinen Zentimeter von der Stelle gerührt, aber er beobachtete all ihre Bewegungen. Wartete auf ihren nächsten Schritt, falls sie es denn wagte, ihn zu tun.
„Ich habe dich heute Abend beobachtet“, bemerkte sie im Plauderton.
„Das ist mir aufgefallen.“ Er lächelte nicht, was wirklich eine Schande war. „Wie lautet dein Urteil?“
„Dass du Maracey eines Tages ein guter Herrscher wärst. Falls du dich dazu entschließt. Dass wir beide eine mächtige politische Allianz bilden würden. Sollten wir uns für diesen Weg entscheiden. Und dass du – Prinz hin oder her – es immer noch schaffst, mich mit einem Blick oder einem Lächeln zu erregen.“ Sie griff nach ihren Haarnadeln und begann, sie eine nach der anderen herauszuziehen. „Falls du das willst.“
Sie streifte die Schuhe ab und stellte sie unters Bett. „Ich weiß, dass ich dir meine Anwesenheit hier in diesem Schlafzimmer aufgezwungen habe. Ich habe es getan, weil ich deine Position stärken wollte, und weil ich vor einiger Zeit festgestellt habe, dass eine Nacht in deinem Bett einfach nicht genug ist. Ich will mehr. Ich will, dass diese Beziehung real ist.“
Klarheit war ein Muss.
Vertrauen unerlässlich.
Es hatte nichts mit Schwäche zu tun, Rafaels Bett teilen zu wollen. Sie wollte es. Sehr sogar. Doch er musste es genauso wollen. „Ich will mit dir schlafen, Rafael. Ich möchte, dass es ein
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