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Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Titel: Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mairisch
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diesem Zeitpunkt war für sie klar, dass sie nach Friesland passen würde.
    »Nee«, sagte ich, da kannte ich sie erst ein paar Tage und es war das einzige Mal, dass ich ihr wirklich widersprach. Ich sagte: »Nee, ganz anders, bei uns wird nicht groß geredet, da wird geschüttet!«
    »Eben!« Marta ließ sich nichts ausreden, nie.
    »Bei uns heißt das nicht Na Sdorowje oder Prost, sondern: Nich lang schnacken, Koppinnacken.«
    »Eben!«
    »Eben? Nicht lang schnacken, Marta?«
    »Ja! So bin ich auch«, sagte Marta, »ganz genau so! Weißt du, was nämlich mein Motto ist?« Ich schüttelte den Kopf und musste lachen. Sie baute sich vor mir auf und sah mich ernst an, dann atmete sie einmal tief ein und legte los. Sie winkelte ihre Arme an, ballte die Hände zu Fäusten, mit denen sie vor der Brust in kleinen Kreisen hin und her wackelte. Sie schüttelte den Kopf und tippte mit dem Zeigefinger unter ihr Kinn. Dann guckte sie mich mit großen Augen an. »Na, was heißt das?«
    »Kein Plan.«
    »Machen, nicht reden«, sagte Marta, »hab ich von meiner Mutter. Gebärdensprache!«
    Ich musste wieder lachen und Marta lachte auch. Und für einen ganz kurzen Moment überlegte ich, ob ich sie bitten sollte, es noch mal aufzuführen, weil ich die Vermutung hatte, dass sie einfach irgendwie mit den Armen in der Luft gerührt hatte. Aber ich habe es natürlich nicht gemacht.
     
    Morgens redete Marta wenig, morgens tanzte sie, rauchte und schwieg. Erst nach ihren sieben Kuchen fing sie an zu sprechen, dann steigerte sie sich den Tag über, bis sie abends im Bett lag und vor sich hinerzählte. Sie plante unsere Reise. Martas Frieslandplänegesäusel, damit bin ich Nacht für Nacht eingeschlafen, vier Wochen lang.
    Sie flüsterte kitzelig in meine Ohren, wie wir Weihnachten vor der kleinen Tanne meiner Eltern auf dem Bauch liegen würden, Negerkusswettessen und Pflaumenschnaps. Marta flüsterte, dass meine Eltern tolle Tänzer seien und beide vier Instrumente spielen und zwar leider nicht so gut singen könnten, es dafür aber umso lauter täten. [Marta, wenn du wüsstest! Nur und zum Beispiel, dass meine Mutter längst tot ist.] Wir würden Ski laufen im friesischen Hochgebirge, flüsterte sie, und auf Schneehütten sitzen und Grog trinken und ständig kämen laute, lachende Menschen zur Tür herein und wollten singen, saufen und dann weiterziehen. »So ist das in Friesland«, flüsterte Marta in mein Ohr und ich hätte heulen können, wie sie das sagte.
     
    Der Club, vor dem wir standen, ein Marta-Club. Sie kannte jeden und alle kannten sie. Ein Rudel Türsteher stand mit kleinen Gesichtern Kaugummi kauend vor der Tür. Als sie Marta sahen, nickten sie alle im selben Takt und hielten uns die Tür auf. Die Typen musterten mich seltsam, aber voller Respekt. Drinnen ein Pool, drei Tanzflächen, rappelvoll. Schlichter Techno, fast schäbig. Wir stiegen eine gläserne Treppe hoch, der VIP-Bereich. Die Männer mit Glatzen und Schweinenacken vor dem oberen Eingang lächelten freundlich, als Marta erschien, sie hielten uns die Tür auf. Marta kaufte eine beschlagene Flasche Wodka für zweihundertfünzig Euro, wir setzten uns. Die Leute hier oben wie Insekten, ein abgestorbenes Lächeln im Gesicht, brutal, wie eine letzte Warnung. Marta schenkte aus, sie lachte und schrie und winkte die Leute herbei. Ein Dutzend Arme, die kleine, weißgekühlte Gläser in das Stroboskoplicht stemmten, Martas raues Fiepen aus ihrem dünnen Hals: »Auf die Kinder unserer Eltern!« Lachen, Plingpling, Schluck. Wir waren umringt von Menschen, alle fassten sich an, strichen sich mit den Händen zu schnell durch das Gesicht, Küsschen, Küsschen, ich kannte keinen. Marta schrie: »Trinksportverein Friesland!« Sie zwinkerte mir zu. »Ihr seid alle eingeladen!« Marta lächelte den Typen an, der sie plötzlich fest im Arm hielt, fuhr ihm mit der Hand durchs Haar und fragte ihn, wie er heiße.
    »Burhan«, sagte der Typ und küsste Marta einfach auf die Wange oder auf ihr Ohr.
    »Du musst zu meiner Party kommen, unbedingt!«, brüllte Marta. »Nächste Woche. Riesenorgie!« Sie lachten und umarmten sich. Marta kritzelte Burhan ihre Adresse auf einen Bierdeckel.
    Ich saß auf einem Ledersofa neben der Tanzfläche, Marta war irgendwo, ich hatte sie aus den Augen verloren. Der Bass trommelte leer in mir, wummerte durch mich hindurch, stärker als jedes Gefühl. Ich überlegte, was ich machen sollte, wenn ich Marta nicht mehr wiederfand. Dann fasste sie mir

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