Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen
Und es dauerte, aber ich spürte, wie viel Mühe sie sich gab. Ganz langsam wurde ihr kalter Körper wärmer, löste sich die Spannung, wurde ihr Atem gleichmäßiger. Und kaum, dass sie wieder etwas Kraft hatte, fing sie an zu fluchen. Sie war wütend, auf sich, auf ihren Körper. Ich beugte mich über sie und kaute vorsichtig an ihrem Ohr. Ich sagte, dass genau das mein Plan gewesen sei, dass ich gewusst hätte, dass sie irgendwann nicht mehr können würde, wehrlos und ausgeliefert wäre. Dass sie jetzt mir gehört, schwach und stumm, dass jetzt mein Wille zählt, dass ich sie ficken kann, wie ich will. Marta war auf einen Schlag still und lag da, auf der Seite, erschöpft, und hob nur ihr eines Bein ein wenig an. Ich fasste sie um ihren dünnen Hals und drückte zu, wann immer sie einen Ton von sich gab, aber sie war die meiste Zeit still. Ich fickte sie leise, wortlos, langsam. Ich hob ihre Hüfte an, den Hals drückte ich weiter auf das Bett, meine Augen geschlossen. Ich stellte mir Marta vor, wie sie aussehen würde, wenn sie nicht krank wäre. Wenn sie nie Drogen genommen hätte, nicht zu viel Geld, zu viele Möglichkeiten gehabt hätte. Marta als Frau mit leuchtenden Augen, bunten Sachen, einem großen, festen Lachen. Marta, pausbäckig und Obst essend. Zärtlich, sinnlich, leicht zu erregen. So ging es, nicht lange, aber es ging.
Marta brabbelte den Taxifahrer voll, dass mir schwindelig wurde. Ich hatte Kopfschmerzen vom Alkohol, von zu lauter Musik, einer langen, langen Nacht. Meine Beine taten weh. Ich glotzte aus dem Fenster, draußen kroch der Morgen aus den Ritzen und Marta flötete in einer unangemessenen Lautstärke und Geschwindigkeit von irgendwelchen seltenen Heilkräutern, die nur auf den Deichen Schleswig-Holsteins zu finden seien. Sie redete vom Geruch der Pflanzen, des Wetters, der Küste, vom Deich und dem Wind, als wäre sie schon tausend Mal dort gewesen. Dermaßen überzeugt und überzeugend, dass ich diese absurde Landschaft, die Marta mit geometrischen Handbewegungen vor uns in die Luft pinselte, plötzlich vor mir sah.
Der Taxifahrer nickte und lachte. Mir war schlecht.
»Marta«, sagte ich, »Schleswig-Holstein ist nicht Disneyland!« Ich wollte, dass sie die Klappe hält.
»Wetten, doch?«, antwortete sie und redete weiter in Richtung des Taxifahrers: »Wissen Sie, wie meine Großmutter aus Friesland das männliche Glied nennt?« Der Fahrer stutzte, schüttelte den Kopf und grinste. »Pumppesel!«, sagte Marta, »oder Bummsküül oder Swengel. Eigentlich meistens Swengel. Zu meinem fünfzehnten Geburtstag hat sie mir ne Packung Kondome geschenkt und meinte: Immer schön an die Swengeltüüt denken, nech?«
Keine Ahnung, wo Marta diese Geschichte nun wieder herhatte, von mir jedenfalls nicht.
»Du weißt Bescheid, Marta«, sagte ich, beugte mich vor und streckte meinen Arm durch die Ritze zwischen Sitz und Beifahrertür, und Marta nahm meine Hand und zwickte mit ihren dünnen Fingern daran herum.
»Ich hasse das Ende!«, sagte Marta. Wir waren die letzten Gäste einer Party, die ausnahmsweise nicht bei Marta stattfand, und sie wischte ein paar leere Flaschen von dem kleinen Tisch, der vor uns stand und schraubte eine neue Flasche Wodka auf. »Ich hasse leere Flaschen, ich hasse, wenns vorbei ist. Wo gehen die alle hin? Ich hasse, dass alle immer irgendwohin müssen.« Und in diesem Moment überkam es mich zum ersten Mal, ich sah es plötzlich vor mir, wie einen Film: Wie ich Marta schnappen und in meinen kleinen, alten Wagen zerren würde. Sie, die sich kaum wehren könnte, schwach inzwischen, wirklich schwach. Marta hätte gezetert und geschrien, aber ich wäre natürlich stärker gewesen als sie. Ich sah mich, wie ich sie einfach entführte, sie mit Gewalt aus diesem absurden Leben riss und irgendwohin verschleppte, wo sie sich erholen konnte [klare Grenzen bei uns, Marta, ein Schuppen, ein Stall, ein uralter, roter Trecker, ein Deich. Alles flach und viel, viel mehr Himmel. Kannst heute sehn, wer morgen zu Besuch kommt , Marta. Wir könnten uns die Knie aufschürfen, in meinem Baumhaus hinter dem Erdkeller das Moos von den alten Brettern pulen, das Dach ausbessern und die Strickleiter einholen, nur Rohmilch, nur Pumpernickel und Meerluft für dich, Marta. Keiner, der uns stören wird, mein Vater humpelt durch den Stall und flucht im Garten, keine Gäste, nichts, nur wir und ein Berg alter Decken.]
Ich hatte Marta die Sache mit dem Rummelpottlaufen erzählt und ab
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