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Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)

Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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abzulenken? Und hatte sie es jetzt mit der Angst bekommen? Saß sie schon bei einem Anwalt, um sich die beste Verteidigungsstrategie auszudenken: Mord im Affekt, Unzurechnungsfähigkeit, Notwehr? Oder hatte sie ihre Koffer nach Rio de Janeiro gepackt – mit Brasilien hatte Deutschland keinen Auslieferungsvertrag –, und nur der letzte Hauch ihres Parfüms lag noch in der Luft?
    Seifferheld ließ sich von seinen Gedanken ein wenig mitreißen.
    Reitz sagte: »Hm!«, und schnüffelte noch ein wenig, dann ging er zur Badezimmertür, öffnete sie, und Seifferheld dachte noch, okay, der muss strullern, aber da zuckte Reitz auch schon wie vom Blitz getroffen zurück und schrie und schrie und schrie …
    Allerdings lautlos. Es war der Entsetzensschrei eines Pantomimen. Was es umso entsetzlicher machte.

12. Szene
    (Mittwochabend, Wohnheim am Rippberg, Gewitter)
Aus dem Polizeibericht
Die Schautafel der Bushaltestelle Holzmarkt wurde in der vergangenen Nacht gegen ein Uhr zerstört. Das Glas wurde eingeschlagen, die Fahrpläne mit rotem Filzstift verschmiert. Anwohner riefen die Polizei. Im Rahmen der Suchmaßnahmen kontrollierten die Beamten eine Gruppe von Männern, die im Schwalbennest einen Junggesellenabschied feierten. Ob diese für die Beschädigung verantwortlich sind, müssen die Ermittlungen zeigen. Die Höhe des Sachschadens kann noch nicht benannt werden.
Nur weil du paranoid bist, heißt das noch lange nicht, dass da draußen niemand hinter dir her ist.
    Eine der einheimischen Statistinnen hatte doch allen Ernstes vorgeschlagen, sie könne einspringen, sie habe den Text drauf, und die Vorstellung könne am Abend wie geplant stattfinden. Bevor der Intendant darüber nachdenken konnte, was er womöglich sogar getan hätte, erlöste ihn der Wettergott aus diesem Dilemma zwischen bürgerlichem Anstand und dem Gelöbnis, das Volk zu unterhalten, komme, was wolle. Nach der schwülen Nachmittagshitze zog nun aus Richtung Südwesten ein schweres Gewitter mit heftigem Sturmwind heran. Auf der Regenkarte war von Stuttgart über Schwäbisch Hall bis hin nach Nürnberg alles dunkellila. Die Vorstellung wurde abgesagt.
    Biggi Wanetzki lag derweil tot in der Wanne, exakt so, wie wenige Tage zuvor Salina Tressler: mit durchschnittener Kehle, Kopf über dem Wannenrand und einem dreifach gefalteten Handtuch auf dem Gesicht.
    Sie hatte sich offenbar heftig gegen ihren Mörder gewehrt, wovon zahlreiche Abwehrspuren an den Händen zeugten. Außerdem war der Boden des Badezimmers klatschnass. Sie musste wie wild gestrampelt haben, vergeblich. Sie war tot.
    Reitz lag leichenblass auf dem Bett in seinem Zimmer. Der Polizeiarzt hatte ihm ein Stärkungsmittel verabreicht. Er wirkte aber trotzdem wie kurz vor dem Kreislaufkollaps.
    »Du solltest die Beine hochlagern«, riet Agnes Vilenti, die sich – zum Zeichen der Trauer, wie sie sagte – eine schwarze Spitzenstola um die Schultern drapiert hatte und mit der roten Rose im schwarzen Haar irgendwie spanisch wirkte. Doña Agnes. Gleich würde sie einen Flamenco aufs Parkett legen. Doch zuvor hob sie die Beine von Roger Reitz an und schob ein Kissen darunter. »So, schon viel besser. Aber übertreib’s nicht, Süßer, hier kriegst du keinen Oscar für die besonders gelungene Darstellung eines Mannes, der gerade seine tote Geliebte gefunden hat.«
    Angesichts ihrer Abgebrühtheit stellte sich die Frage, ob sie nicht ihre Konkurrentinnen ausgeschaltet hatte, weil sie um jeden Preis an die Rolle der Suzy Pommier kommen wollte.
    Seifferheld stand am Fußende von Reitzens Bett und verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Wenn die Vilenti mordete, dann mit ihrer Zunge – durch fiese Intrigen, Andeutungen, Verleumdungen, durch beiläufig gesetzte Verbalpfeile, die punktgenau ins Ziel trafen.
    Neben dem Bett lag Denis Lützel auf dem Boden. Bei ihm versagte das Stärkungsmittel des Arztes. Immer, wenn er sich aufrichten wollte, fiel er gleich wieder in Ohnmacht. Jeden Moment würde der Krankenwagen kommen und ihn ins Diakonie-Klinikum bringen. Schock, lautete die Diagnose. »Ich habe sie geliebt«, waren seine letzten Worte. Man hatte ihn oben im ersten Stock gefunden, angetrunken auf der Waschmaschine kauernd.
    Auf dem einzigen Stuhl im Raum thronte Stefano Tressler, mittlerweile in einen hellblauen Leinenanzug gekleidet, mit Einstecktuch und diamantener Reversnadel, großstädtische Eleganz aus jeder Pore ausströmend. »Ich kannte die Tote doch gar nicht. Unverschämt, mich hier

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