Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
gegeben.
»Na also, geht doch«, konstatierte Euler. »Und wer sind Sie?«, fragte er Seifferheld.
»Ein ehemaliger Kollege, der zufällig anwesend war«, rief Wurster rasch und stellte sich sichtverdeckend vor Seifferheld. »Kann ich irgendetwas für Sie tun, Herr Euler?«
»Herr Tressler wurde bei mir vorstellig, weil er das deutliche Gefühl hatte, die hiesige Polizei würde die Ermittlungen nicht ernst genug betreiben«, erklärte Euler.
Das war a) eine Frechheit und b) nicht wahr, aber Wursters Pokerface verzog sich keinen Millimeter. »Ach so. Tja, das tut uns leid, aber das hat sich ja nun erledigt. Wir haben einen dringend Tatverdächtigen.«
Seifferheld betrachtete Tressler, der jetzt auf einmal erstaunlich ruhig war und auch etwas blass wirkte. Wieso nur war er gleich ins Rathaus gelaufen, um Druck von ganz oben auf die Ermittler zu machen? Wer auf so grausame Art einen Angehörigen verlor, setzte natürlich alles daran, dass der Schuldige unverzüglich dingfest gemacht wurde, aber in all seinen Dienstjahren hatte noch kein Angehöriger gleich die Anzugträger aus dem Rathaus auf ihn gehetzt.
»Dann ist es ja gut«, sagte Euler. »Sie verstehen, dass ich mich als Vertreter der Stadtverwaltung darum kümmern musste. Ich bin ein Mann der kurzen Wege, und ich bin mir nie zu schade, selbst Hand anzulegen. Als Herr Tressler zu mir kam, habe ich ihn nicht erst lange vertröstet, sondern gleich gesagt, wir fahren zusammen vor Ort und klären das.«
Typische Politikerwahlrede. Dabei war gerade kein Wahljahr.
Wurster nickte und ging zu dem Streifenwagen, in dem Möck saß, von Bauer zwo mit Handschellen an eine der Kopfstützen gekettet.
Gleich darauf fuhr der Streifenwagen vom Hof, Bauer zwo auf seiner Kawasaki hinterher.
Agnes Vilenti war nicht mehr zu sehen, vermutlich hatte sie sich in ihr Wohnheimzimmer zurückgezogen.
Zurück blieben Euler, Tressler und Seifferheld.
Ein unangenehmer Moment.
»Tja …«, sagte Tressler.
»Nun …«, sagte Euler.
Keiner rührte sich.
Seifferheld saß immer noch auf dem Mäuerchen, obwohl seine Kehrseite mittlerweile durchgefeuchtet war und zu frieren begann. Aber er wollte verdammt sein, wenn er als Erster den Platz räumte.
»Ich muss wieder zurück ins Rathaus«, erklärte Euler nach einer gefühlten Ewigkeit. »Herr Tressler, wir sehen uns vor Ihrer Abreise bestimmt noch einmal.«
»Ja … äh … danke für Ihre Hilfe. Und … bis bald.« Tressler stand noch kurz unschlüssig herum und ging dann ins Wohnheim.
Euler drehte sich um und wollte ebenfalls gehen.
»Sie hatten eine Affäre mit ihr, nicht wahr?«, rief Seifferheld Eulers Rücken zu. Der Rücken wurde in Zeitlupe durchgebogen, bis er gerade wie eine Eins war, dann wandte sich Euler zu Seifferheld um. Sein Gesicht stand im Begriff, rot anzulaufen: Kinn und Nase waren schon heftig durchblutet, bei den Wangen und der Stirn dauerte es noch ein wenig.
»Wie bitte?«, donnerte der Gemeindemitglied-Rotarier-Sportvereinspräsident-Honoratior.
»Affäre? Salina Tressler?«
Seifferheld genoss die Situation. Früher, als angestellter Kriminaler, hätte er sich dieses Verhalten nie und nimmer erlauben können. Aber jetzt, als Rentner, pellte er sich ein Ei darauf, wenn er jemand vor den Kopf stieß. Die Rente konnten sie ihm höchstens streichen, wenn er handgreiflich wurde, das hatte er jedoch nicht vor.
Bei Euler hingegen konnte er sich nicht so sicher sein. Sein Gesicht war jetzt bis zum Haaransatz knallrot. Der ganze Mann schien angeschwollen zu sein. Ob er gleich platzte?
»Eine bodenlose Unverschämtheit!«, fauchte Euler leise, was noch viel unheimlicher war, als wenn er gebrüllt hätte. »Eine bo-den-lose Unverschämtheit! Das wird ein Nachspiel für Sie haben! Üble Nachrede ist kein Kavaliersdelikt.«
An eine Anzeige wegen Verleumdung hatte Seifferheld in der Hitze des Gefechts nicht gedacht, aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. Mutig preschte er weiter voran.
»Ich bitte Sie, es wussten doch alle davon. Stand ja auch in Frau Tresslers Tagebuch. Ist doch heute keine große Sache mehr. Ihre Frau hat sicher dafür Verständnis. Ist eine Geliebte nicht mittlerweile fester Bestandteil einer jeden Politikerehe?«
»Das Tagebuch ist verschwunden!«, krächzte Euler.
Diesen Satz durfte man nun guten Mutes als Schuldeingeständnis sehen. Wenn Salina ihn nicht mit ihrem Tagebuch erpresst hatte, woher hätte er dann davon wissen sollen?
»Mit der Angelegenheit treten Sie am besten forsch an die
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