Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
es hektisch auf, als Tressler die Schranktür aufriss.
»Sie!«, fauchte er.
»Siggi!«, fauchte es aus dem Handy. »Hast du meinem Helmerich Erdnussflips zu essen gegeben? Erdnussflips! Na warte, das wird ein Nachspiel haben!«
7. Szene
(Donnerstagnacht, Schlafzimmer von Siggi Seifferheld)
Aus dem Polizeibericht
Ein Verkehrsteilnehmer von 81 Jahren war bei einer gestrigen Verkehrskontrolle nicht nur nicht angeschnallt, es wurde auch noch Atemalkohol festgestellt. Die Polizei ordnete eine Blutentnahme an und setzte den Fahrzeugführer davon in Kenntnis, dass es nicht gut um seine Fahrerlaubnis bestellt sei, was er mit den fröhlich gesungenen Worten »Es gibt kein Bier auf Hawaii« kommentierte.
Unser Gärtner ist gestorben. Er hatte einen Herzinfarkt, als er mitten in unserem Irrgarten die Hecken schnitt. Die Sanitäter hatten keine Chance. (Niles Crane)
»O Gott, hat denn das nie ein Ende?« Marianne zog sich genervt die Decke über den Kopf.
Die Geräusche aus dem Gästezimmer direkt neben Siggi Seifferhelds Schlafzimmer klangen wie das verzweifelte Stöhnen gequälter Schlossgeister. Fehlte nur noch das Kettenrasseln.
»Kannst du die Ritze unter der Tür nicht mit irgendwas zustopfen? Ich kann’s immer noch riechen!«, verlangte sie nachdrücklich unter der Decke.
Seifferheld stand ächzend auf.
Die beiden Fenster hatten sie schon aufgerissen, aber es nützte nichts.
Der Schwefelgestank aus dem Nebenzimmer schien osmotisch durch die Wand herüberzuwabern.
Als die Menschen des Mittelalters ihre Horrorvisionen einer entsetzlichen Hölle entwickelten, geschah das zweifellos nach einer gemeinsam verbrachten Nacht mit jemandem wie Pfarrer Helmerich Hölderlein, einem Menschen mit akuter Reizverdauung.
Irmgard hatte ihn mitsamt seinem Kulturbeutel und Wechselwäsche am frühen Abend bei ihrem Bruder abgegeben. »Sieh zu, wie du damit klarkommst, du hast es ja auch verbockt«, hatte sie gesagt und war wieder gegangen, um sich mit ihren Freundinnen vom Boule-Club, den Haller »Bouletten«, einen schönen Weiberabend in der Riva Lounge zu machen.
Wer nie mit Helmerich Hölderlein in einem Haus war, wenn dieser einen akuten Flatulenzanfall hatte, kann nicht nachvollziehen, was Siggi und Marianne durchmachen mussten. Es war buchstäblich die Hölle! Und leider verbot den beiden ihre Menschlichkeit, den Pfarrer einfach ins obere Stockwerk zu verbannen, denn da schliefen Karina und vor allem Fela junior. Schließlich wusste keiner, wie sich die Gase auf das Baby auswirken würden, wenn es eine ganze Nacht lang diesem Methanausstoß ausgesetzt wäre. Mutationen fielen einem da ein, ganz sicher aber psychische Verstörung. Ersticken wäre da noch die humanste Konsequenz. Lebenslanges Trauma mit einer späteren Entwicklung zum Serienmörder an Geistlichen lag quasi auf der Hand.
»Es ist bestimmt gleich vorbei«, tröstete Seifferheld die Ausbuchtung unter der Decke, die seine Marianne war.
»Hmpf«, machte es nur.
Hölderlein hatte am späten Vormittag Erdnussflips gegessen, auf die er allergisch reagierte, okay. Aber wie lange konnte so ein Allergieanfall anhalten? Das musste doch bald vorüber sein.
»Gibt es denn keine Medikamente dagegen?«, brummte es unter der Decke.
»Er hat seine Tropfen aus der Löwen-Apotheke schon eingenommen.«
Seifferheld nahm das kleine rote Moleskinebüchlein zur Hand, das er auf seinem Nachttisch abgelegt hatte, nachdem er den Spalt unter der Tür mit der Fleecedecke abgedichtet hatte.
Es war das Tagebuch von Biggi Wanetzki.
Kurz bevor er durch das klingelnde Handy aufgeflogen war, hatte er es in ihrem Kleiderschrank gefunden. Es steckte in der Bauchtasche eines ihrer flippigen Blümchenkleider.
An Tressler war er mit den Worten »Sie gestatten?« einfach vorbei zur Tür marschiert, hatte sie entriegelt und war gegangen. Der Mann war zu verblüfft gewesen, um ihn aufzuhalten. Die meisten Menschen reagieren erst einmal sprach- und reglos, wenn plötzlich etwas geschieht, womit nicht zu rechnen war, etwas, das allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit widersprach: Schuhplattler tanzende Polynesier in Oberammergau, freundliche Taxifahrer in Berlin, Senioren mit Gehhilfe in Kleiderschränken in Schwäbisch Hall.
Kurzum: ein triumphaler Abgang!
Allerdings war die Handschrift von Biggi Wanetzki kaum zu entziffern.
»Marianne, hilf mir doch mal, ich kann das nicht lesen.«
Vorsichtig lugte sie unter der Decke hervor, wie eine Schildkröte, die den Kopf aus ihrem Panzer
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