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Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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auf Mathis Feddersen zu, der hinter der Rezeption stand, und fragte nach Donata Zöllner.
    Mathis sah ihn erstaunt an. »Was willst du von Frau Zöllner? Der Arzt ist bei ihr.«
    Erik erschrak. »Der Arzt? Warum?«
    Mathis wies auf die Sitzgruppe. »Es geht ihr nicht gut«, begann er, als alle Platz genommen hatten. »Ich hatte in der Aufregung ganz vergessen, dass Frau Zöllner nach Sylt gekommen war, um meine Tante zu besuchen. Es fiel mir erst wieder ein, als sie herunterkam und nach dem Weg zu Tante Magdalenas Haus fragte. Sie wollte zu ihr gehen, weil sie sie telefonisch nicht erreicht hatte.«
    Mamma Carlotta schlug eine Hand vor den Mund. »Che tragedia! Sie wusste noch gar nicht, was geschehen war?«
    Mathis sah betreten aus. »Ja, es war sehr unangenehm für mich, ihr mitzuteilen, dass Tante Magdalena tot ist.«
    »Ermordet!«, korrigierte Mamma Carlotta mit dramatischer Stimme.
    Mathis nickte und sah schuldbewusst von einem zum andern. »Ich hätte es ihr eher und wohl auch schonender mitteilen müssen. Aber ich bin ja selbst noch total von der Rolle.«
    Erik nickte ihm verständnisvoll zu. »Mach dir keine Vorwürfe, Mathis. Was du heute Morgen erlebt hast, war schrecklich genug.«
    Mamma Carlottas Augen weiteten sich, ihre Locken vibrierten. »Hat sie einen Zusammenbruch gehabt? Un attacco cardiaco … wie sagt man … einen Herzanfall?«
    »Schon möglich«, antwortete Mathis Feddersen zögernd. »Ich war wirklich sehr erschrocken über ihre Reaktion. Die beiden hatten sich jahrelang nicht gesehen, mindestens zwanzig Jahre gab es überhaupt keinen Kontakt. Und nun diese … diese Betroffenheit! Man konnte meinen, Frau Zöllner hätte einen nahen Angehörigen verloren.«
    Mamma Carlotta sah ihn schockiert an. »Sie waren alte Freundinnen! Donata Zöllner hat es mir persönlich erzählt.« Sie funkelte Mathis an, als hätte er sie schwer beleidigt. »Eine gute alte Freundin steht einem oft näher als … als …«
    Doch bevor Mamma Carlotta darüber lamentieren konnte, dass gute alte Freundinnen den Grund ihrer Seelen kannten, den die eigenen Ehemänner nicht einmal zu finden versuchten, war Mathis Feddersen schon aufgesprungen. »Ich werde nach Frau Zöllner sehen.« Mit zügigen Schritten durchquerte er die Lobby, während Mamma Carlotta theatralisch die Augen schloss, um ihrer Erschütterung Herr zu werden.
    Beinahe hätte Erik gelächelt. Ein Mann wie Mathis Feddersen, der ein freundliches Lächeln schon für einen Gefühlsausbruch hielt, kam mit Carlottas dramatischem Naturell noch schlechter zurecht als der durchschnittliche Friese. Erik hob die Hand, als wollte er seine Schwiegermutter in den Sessel zurückdrücken, die Anstalten machte, dem Hotelier zu folgen. Denn natürlich sprach sie ihm die Befähigung ab, sich mit der nötigen Hingabe um Donata Zöllner zu kümmern. Aber sie ließ sich tatsächlich von Eriks Geste beeindrucken und sank zurück.
    »Wir werden abwarten, was der Arzt zu sagen hat«, erklärte Erik. »Wenn er uns gestattet, Donata Zöllner zu befragen, werde ich sehr behutsam mit ihr umgehen. Versprochen.«
    Carlotta nickte zufrieden und kreuzte die Arme vor der Brust. Fasziniert beobachtete Erik, in welchem Tempo sie von einer Gemütslage in die nächste wechselte. Darin hatte Lucia sich von ihrer Mutter unterschieden. Sie war beständiger gewesen in ihren Empfindungen. Vielleicht, weil sie nie angetrieben worden war, jeden Augenblick auszukosten. Mamma Carlotta hatte längst erfahren, wie kurz das Leben sein konnte, Lucia dagegen hatte nie an die Möglichkeit gedacht, nicht mehr genug Zeit zu haben für alle Gefühle, die das Leben bot. Vor jeder gemeinsamen Reise nach Umbrien hatte sie zu ihm gesagt: »Sei nett zu meiner Mutter. Sie hat es verdient.« Trotzdem war er oft nicht besonders nett zu ihr gewesen. Dabei hatte sie es wirklich verdient. Das Leben war nicht zimperlich mit ihr umgegangen: Heirat mit sechzehn, sieben Schwangerschaften und Geburten und dann die mühsame Pflege ihres schwer kranken Mannes, die begonnen hatte, noch ehe das letzte Kind aus den Windeln war! Zwanzig Jahre hatte Mamma Carlotta am Bett ihres Mannes verbracht, der keinen Augenblick ohne sie sein wollte. Sie hatte Lucia ziehen lassen müssen, ohne sie jemals besuchen und sich vergewissern zu können, dass es ihrer Tochter auf Sylt gut ging. Nicht einmal an Lucias Beerdigung hatte sie teilnehmen können. Eigentlich musste er sie bewundern, dass sie darüber nicht verzagt war und am Leben immer

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