Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
wieder schöne Seiten entdecken konnte.
Er schenkte ihr ein kleines Lächeln, war dann aber froh, dass sie es nicht bemerkte, weil sie gerade versuchte, den Zimmerservice des Hotels zu durchschauen. »In der Pension von Signorina Argento gibt es nur drei Zimmer, und trotzdem geraten ihr ständig die Schlüssel durcheinander. Wie klappt das, wenn es zwanzig Zimmer gibt?«
Zum Glück sah sie weder Erik noch Sören an, sodass keiner von den beiden sich genötigt fühlte, ihr zu erklären, dass es Hotels gab, die zehnmal so viele Zimmer hatten, ohne dass die Schlüssel durcheinander gerieten.
Sören beugte sich vor und sah seinen Chef fragend an. »Wie sieht’s mit Feddersens Alibi aus?«
»Er hat eins«, entgegnete Erik. »Die Berlings und die Achtermanns sagen übereinstimmend aus, dass Mathis Feddersen die ganze Nacht mit ihnen getrunken und gefeiert hat. Bis morgens um vier! Die beiden Ehepaare schwören Stein und Bein, dass Mathis sich nur aus der fröhlichen Runde entfernt hat, um zur Toilette zu gehen.«
Sören sah deprimiert aus. »Also können wir Mathis Feddersen von unserer Liste streichen. Obwohl er ein Motiv hat.«
Erik nickte. »Als Einziger.«
»Seine Frau hat auch ein Motiv«, meinte Sören. »Schließlich sitzen die beiden im selben Boot.«
»Sie hat aber ebenfalls ein Alibi!«, sagte Erik mit so scharfer Stimme, dass Sören schweigend nickte.
In versöhnlicherem Ton fügte Erik an: »Wir müssen nach einem anderen Motiv suchen. Womöglich finden wir eins in der Vergangenheit. Mal sehen, was das Gespräch mit Donata Zöllner bringt.«
Als hätte sie auf ihr Stichwort gewartet, erschien sie in der Lobby, wohlfrisiert, in einem hellbraunen Leinenrock und einer schneeweißen Bluse. Hinter ihr der Arzt, der von Mathis Feddersen zum Ausgang begleitet und dort verabschiedet wurde.
Mamma Carlotta stürzte sich mit einem Schwall von Beileidsbekundungen auf Donata Zöllner. Erik und Sören erhoben sich höflich und warteten, bis Mamma Carlotta ihrer neuen Freundin ausgiebig Mut zugesprochen hatte, dann durften auch sie Donata Zöllner die Hand reichen. Aber gegen italienische Herzlichkeit kamen sie natürlich nicht an. Staunend beobachtete Erik, wie Donata sich bereitwillig ein Kissen unterschieben und ein weiteres in den Rücken stopfen ließ, dass sie Carlottas Mitgefühl ertrug, ohne Überdruss erkennen zu lassen, und die Fragen nach einem erfrischenden Getränk mehrmals mit einem Kopfschütteln beantwortete, ohne die Geduld zu verlieren. Im Gegenteil, sie lächelte Mamma Carlotta dankbar an, ehe sie sich an Erik wandte.
»Herr Feddersen sagt, Sie wollen mich sprechen?«
»Nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht!«, fuhr Mamma Carlotta dazwischen. »Wenn Sie es nicht ertragen können, wird mein Schwiegersohn morgen wiederkommen. Oder übermorgen!«
Donatas Lächeln vertiefte sich. »Es wäre nicht nötig gewesen, einen Arzt zu holen«, erklärte sie. »Herr Feddersen war etwas zu … besorgt.«
Erik rang nach ein paar gefühlvollen Worten, wie sie seiner Schwiegermutter leicht von der Zunge rollten, aber dann gelang ihm doch nicht mehr als die sachliche Frage: »Was wissen Sie über Magdalena Feddersen? Wie haben Sie sich kennengelernt?«
Donata sah ihn nicht an, während sie antwortete: »Auf einer Ferienfreizeit in der Nähe von Bremen. Wir waren sechzehn damals und haben uns schnell angefreundet. Später haben wir uns gelegentlich geschrieben, hin und wieder auch telefoniert, aber dann …« Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
»Und warum jetzt? Nach …« Er sah Donata fragend an. »Nach wie vielen Jahren?«
»Achtunddreißig.«
»Nach achtunddreißig Jahren ein Wiedersehen! Warum?«
Ehe Donata antwortete, bat sie Mamma Carlotta um ein Papiertaschentuch und Mathis Feddersen um ein Glas Wasser. Erik sah, dass ihre rechte Hand zitterte, als sie das Glas zum Munde führte, die linke nestelte am Leinenrock herum.
»Es war Magdalenas Idee gewesen. Sie meinte, es wäre schön, sich wiederzusehen.« Nun flüsterte sie, als gehorchte ihr die Stimme nicht mehr: »Hätten wir uns doch schon am Abend meiner Ankunft getroffen! Dann hätte ich Magdalena noch lebend gesehen. Und wer weiß … vielleicht wäre der Mord dann gar nicht geschehen.«
»Wie meinen Sie das?«
Donata strich über die Knopfleiste ihrer weißen Bluse. Ihre Hände zitterten noch immer. »Nun, wir hätten sicherlich lange geredet, vermutlich die halbe Nacht. Oder sogar die ganze. Der Einbrecher wäre nicht ins
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