Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Haus eingedrungen, wenn er Licht gesehen hätte.«
»Warum glauben Sie, dass der Mörder ein Einbrecher war?«
Donata sah Erik unbehaglich an. »Wer sonst sollte meine Freundin umgebracht haben?«
Erik warf seiner Schwiegermutter einen Blick zu, der um Vergebung bitten sollte, weil er ihre Freundin mit ein paar schaurigen Einzelheiten bekannt machen musste. »Magdalena Feddersen wurde im Schlaf erschlagen. Wenn es ein Einbrecher war, dann hatte sie ihn nicht gehört. Warum also sollte er diesen Mord begehen?«
Donata starrte ihn aus großen Augen an. Sie sagte kein Wort. »Wir gehen davon aus, dass Magdalena Feddersen einem eiskalt geplanten Mord zum Opfer fiel«, sagte Erik vorsichtig.
Donata starrte ihn erschrocken an, rang nach Luft, ihre Hände fuhren verzweifelt in die Höhe, dann löste sich der Schreck in einem tiefen Seufzer und ging anschließend in haltloses Schluchzen über. Sie schlug die Hände vors Gesicht, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf ihre Schenkel. Ihre Schultern bebten, Tränen rannen durch ihre Finger.
Carlotta sprang auf, warf sich auf die Armlehne von Donatas Sessel, riss ihre neue Freundin in ihren Arm und wiegte sie wie ein Kind, als Donata sich an ihre Brust lehnte.
»Wie kannst du nur so schreckliche Dinge sagen?«, fuhr Mamma Carlotta ihren Schwiegersohn an.
Erik saß wie erstarrt da, während Sören eilig das leere Wasserglas ergriff, um es neu zu füllen.
Mathis Feddersen rief: »Soll ich noch einmal den Arzt rufen?«
Mamma Carlotta war früh erwacht. Zu Hause in Umbrien wurde sie gewöhnlich vom »O sole mio« des Bäckergesellen geweckt, der die Panini und Cornetti in die Pension von Signorina Argento brachte, oder, wenn er sich verspätete, vom Geschrei ihres jüngsten Enkels. Auf beide war Verlass, sonst – so hatte Mamma Carlotta bisher geglaubt – würde sie schlafen, bis die Kirchturmuhr zwölfmal schlug. Aber anscheinend hatte sie ihr Ruhebedürfnis falsch eingeschätzt. In Umbrien ging sie erst weit nach Mitternacht zu Bett und war demzufolge noch müde, wenn der Bäckergeselle verkündete, dass die Nacht zu Ende war. Und sie war es dann unwiderruflich, denn die beiden hatten todsicher den Hahn des Tischlers angestachelt, der so lange krähte, bis die Kreissäge einfiel und an Schlaf nicht mehr zu denken war. An den Wochenenden war es nur geringfügig anders. Die Kreissäge fiel aus, wurde aber vollauf vom Glockengeläut ersetzt, das früh begann und so lange anhielt, dass jeder Gläubige es schaffen musste, dem Gottesdienst pünktlich beizuwohnen.
Auf Sylt war alles anders. Der Süder Wung lag ruhig da, auf der Westerlandstraße fuhr nur gelegentlich ein Lieferwagen, der die Hotels und die Läden mit frischen Waren versorgte, die Feriengäste lagen noch in ihren Betten und schliefen einem sonnigen Urlaubstag entgegen. Und Mamma Carlotta machte die befremdliche Erfahrung, dass sie trotz der Ruhe gegen sechs Uhr aufwachte. Das konnte nur daran liegen, dass Erik zu einer Zeit schlafen gegangen war, in der in Umbrien erst die Antipasti aufgetragen wurden. Mamma Carlotta war schließlich aus lauter Langeweile ins Gästezimmer hinaufgestiegen und zu einer Zeit eingeschlafen, da sie zu Hause die Dolci aus dem Kühlschrank holte.
Ein frischer Wind bauschte die Gardinen, und das Sonnenlicht malte die zarten Schatten der Kirschbaumzweige auf den Teppich. Von diesen sonnigen Tagen hatte Lucia oft erzählt. Mamma Carlotta richtete sich auf und lächelte dem Bild ihrer Tochter zu.
»Ich werde aufpassen, Piccola«, flüsterte sie. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, warum du mit Valerie Feddersen befreundet warst. Ich mag sie nicht besonders. Sie hat so einen … berechnenden Blick. Und sie sieht ihren Mann so an, als verachte sie ihn. Mir scheint, die Ehe ist nicht besonders glücklich. Aber Gott sei Dank meint Erik, Valerie würde sich niemals scheiden lassen. Oder will er mir das nur weismachen, um mich in Sicherheit zu wiegen? Ist ihm klar geworden, dass ich gemerkt habe, wie er Valerie ansieht?« Mamma Carlotta stand auf und nahm Lucias Bild zur Hand. »Sag was, Lucia! Gib mir ein Zeichen.«
Aber kein Schatten fiel auf Lucias Gesicht, kein Sommergewitter nahte, nirgendwo im Haus fiel etwas zu Boden und zerbrach. Entweder war Lucia sorglos, oder sie sah keine Möglichkeit, ins irdische Geschehen einzugreifen. Wenn das so war, dann verließ sie sich auf ihre Mutter. Mamma Carlotta musste also sehen, dass sie Augen und Ohren offen hielt.
So geschickt hatte
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