Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Maraschino und Marsala unter die Mascarpone zu rühren.
Sie war gerade fertig, als sich die Haustür öffnete. Das Lächeln, mit dem Erik in die Küche trat, machte Mamma Carlotta glücklich. »Hier riecht es ja wunderbar«, sagte er.
»Es gibt Orata al cartoccio, danach Dolce al mascarpone«, strahlte sie. »Als Vorspeise Insalata di funghi, der ist heute Mittag übriggeblieben.« Sie schob Erik einen Stuhl hin, nahm ihm die Jacke ab und setzte die Espressomaschine in Gang. »Du brauchst erst mal einen guten Kaffee.«
Während sie die Tassen aus dem Schrank holte, redete sie von Carolins Talent, von dem Sprachrhythmus, den jeder Text brauchte, und von der versteckten Aussage, die einer guten Kurzgeschichte innewohnen sollte. Als sie den Zucker gefunden hatte, wusste Erik, dass sie sich am Morgen mit Donata Zöllner im Café Lindow getroffen und dass die arme Frau ihren Sohn 1999 im Montblanc-Tunnel verloren hatte. Erst als die dampfenden Espressotassen auf dem Tisch standen, fiel Mamma Carlotta auf, dass ihr Schwiegersohn noch schweigsamer war als sonst.
»Dieser Todesfall ist wohl doch kein Unglücksfall oder ein Selbstmord?«, fragte sie mitfühlend.
Erik schüttelte den Kopf. »Ein Mord. Noch dazu ein besonders brutaler.«
Mamma Carlotta bekreuzigte sich und bat ihn, sie mit Einzelheiten zu verschonen. »Es sei denn, es hilft dir, sie auszusprechen. Wenn du es dir von der Seele reden musst, höre ich mir alles an, ohne ein einziges Wort zu sagen.«
Erik sah auf und lächelte leicht. »Wirklich kein einziges?«, fragte er und strich seinen Schnauzer glatt, als müsste er darüber nachdenken, ob er ihr glauben könnte.
Mamma Carlotta fühlte sich gehänselt und runzelte die Stirn. »Dann eben nicht«, antwortete sie gekränkt und erkundigte sich nach Sören. Erik sollte bloß nicht glauben, dass sie neugierig auf das war, was sie angeblich nichts anging!
»Er wird spätestens dann hier auftauchen, wenn ich ihm erzähle, dass du Antipasti eingelegt hast«, antwortete Erik.
Mamma Carlotta war versöhnt. »Allora! Was ist mit diesem Mord? Ist das Opfer eine Frau oder ein Mann? Hast du schon einen Täter in Verdacht?«
»Nun ja, diese Reisebekanntschaft, die du gemacht hast …«, begann Erik vorsichtig.
Mamma Carlotta sprang auf. »Madonna! Donata Zöllner ist tot? Che terribile! Wer hat das getan? Und warum?«
Erik machte eine Bewegung, als wollte er seine Schwiegermutter auf ihren Stuhl zurückziehen. »Du hast mich falsch verstanden. Donata Zöllner lebt.«
Mamma Carlotta starrte ihn empört an. »Warum sagst du dann, dass sie ermordet wurde? Wie kannst du mir so einen Schreck einjagen?«
»Ich habe nichts dergleichen gesagt«, verteidigte Erik sich. »Ich habe nur …«
»Von meiner Reisebekanntschaft hast du gesprochen!« Mamma Carlotta saß wieder auf ihrem Stuhl, kerzengerade, ohne die Rückenlehne zu berühren.
»Aber ich habe nicht gesagt, dass sie tot ist.«
Mamma Carlotta dachte nach. Tatsächlich, wirklich gesagt hatte er es nicht. Aber angedeutet hatte er es. Oder etwa nicht? Warum sagte er nicht endlich, worum es ging?
»Sie wollte doch eine Freundin besuchen. Magdalena Feddersen.«
»Und die ist ermordet worden?« Mamma Carlotta griff sich ans Herz. »Deswegen also war sie telefonisch nicht zu erreichen.« Dann erzählte sie, dass Donata mehrmals versucht hatte, Magdalena Feddersen anzurufen. »Sie hat nie abgenommen.«
»Kein Wunder!«
»Dio mio! Da wollten sich die beiden wiedersehen nach so vielen Jahren! Sie wollten in Erinnerungen schwelgen, wollten sich erzählen, was sie erlebt hatten in der langen Zeit, was ihre Familien durchgemacht hatten, was aus gemeinsamen Freunden geworden war …«
Felix, der gerade unverrichteter Dinge vom Fußballplatz zurückgekehrt war, riss die Tür auf. »Was ist passiert?«
»Madonna! Madonna!«
Auch Carolin erschien in der Küche, blass und ängstlich. Sie starrte ihre Großmutter an, dann wanderte ihr Blick zu ihrem Vater.
Erik schüttelte besänftigend den Kopf. »Macht euch keine Sorgen, Kinder! Es ist nichts passiert.«
»Nichts? Niente?« Mamma Carlotta sah aus, als wollte sie vor Empörung die Antipasti in den Ausguss kippen. »Donata Zöllners Freundin wurde heimtückisch ermordet – und du sagst, es ist nichts passiert?«
Erik und Carolin ließen den Schwall der Entrüstung über sich ergehen, ohne aufzubegehren, duckten sich einfach und warteten, dass es vorübergehen würde, so wie sie es bei Lucia getan hatten. Felix
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