Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
nahm Tove ihr die Tasse weg und hielt sie ein zweites Mal unter den Milchschäumer seines Kaffeeautomaten. »Gut, dass Sie sonst immer später hier auftauchen, Signora. Ihr Unterhaltungswert klettert anscheinend mit dem Uhrzeiger.«
Mamma Carlotta war froh, dass sie darauf nichts erwidern musste, denn der nächste Kunde betrat den Imbiss. Ein Mann, der eine blank gewetzte schwarze Hose und ein graues Muskelshirt trug, ohne nennenswerte Muskeln herzuzeigen.
»Einmal Käptens Frühstück«, rief er.
Tove beugte sich über die Theke. »Moin, Frettchen! Dass du dich traust, auf Sylt frei rumzulaufen!«
»Warum nicht?« Kurt Fehring betrachtete das Spiegelei, das Bestandteil von Käptens Frühstück war und gerade in Pfanne brutzelte. »Pass auf, dass das Dotter heile bleibt, sonst lasse ich das Frühstück zurückgehen.«
Tove lachte ungläubig. »Du willst hier auf den Putz hauen? Pass op, Frettchen! Hast wohl nicht mitgekriegt, das man dir einen Orden verpasst hat?« Er griff nach der Pfanne und schwenkte das Spiegelei hin und her.
»Was meinst du?«, fragte Kurt Fehring. »Die goldene Aufreißernadel?«
»Dass ich nicht lache!« Tove klatschte Remoulade auf eine Scheibe Schwarzbrot und warf eine Hand voll Krabben darüber. »Ich dachte eher an den Titel ›Dümmster Dieb von Sylt‹!«
»Ich weiß nicht, wovon du schnackst.«
»So, so, weißt du nicht.« Tove stellte einen Klaren aufs Frühstückstablett und wandte sich wieder dem Spiegelei zu. »In Niebüll ein Auto klauen und auf Sylt damit herumfahren! So dämlich kannst auch nur du sein!«
»Schnack nicht über Sachen, von denen du nichts verstehst.«
Tove lachte, während er das Spiegelei auf die Krabben bugsierte. »Stimmt! Experte in Sachen Dämlichkeit bin ich zum Glück nicht.«
»Spar dir deine Selbstherrlichkeit! Ist es vielleicht schlauer, in den Knast zu kommen, weil man einen anderen krankenhausreif geschlagen hat?«
»Halt’s Maul!«, zischte Tove und warf Mamma Carlotta einen schnellen Blick zu.
»Ist doch wahr!«, tönte Fehring und schob den Teller zurück. »Ich hatte gesagt, ich will ein heiles Dotter.«
»Es war heile, als es aus der Pfanne kam.«
»Aber jetzt ist es nicht mehr heile.«
»Du hast am Teller gewackelt.«
»Hab ich nicht.«
Mamma Carlotta legte ein Zwei-Euro-Stück auf die Theke und rutschte von ihrem Hocker. »Einen schönen Tag noch.«
»Jetzt hast du mit deiner Stänkerei die Signora vergrault!«, rief Tove empört.
»Wenn hier einer die Gäste vergrault, dann Käpten Tove selbst«, gab Kurt Fehring zurück. »Du bist ja schon mit einem Spiegelei überfordert.«
»Und du zu dämlich, ein Auto zu klauen!«
Mamma Carlotta schwang sich aufs Fahrrad und war froh, der Streiterei entronnen zu sein. Eilig radelte sie los und drosselte ihr Tempo erst auf der Seestraße. Wieder genoss sie es, aufs Meer zuzufahren – direkt in den Himmel hinein.
Sie war enttäuscht, als sie feststellte, dass das Strandwärterhäuschen leer war. Unschlüssig betrat sie den Holzsteg und überlegte, ob sie die Treppe zum Strand hinabsteigen sollte, um Fietje zu suchen. Aber würde sie ihn in dem Gewimmel da unten finden?
Ihre Augen tasteten den Strand ab. Keine Spur von Fietjes Bommelmütze! Resigniert wandte Mamma Carlotta sich ab. Es hatte keinen Sinn, auf Fietjes Hilfe zu hoffen. Sie musste allein entscheiden, was zu tun war. Zu Erik ins Kommissariat radeln und ihm alles gestehen? Dazu hätte Fietje ihr sicherlich nicht geraten. Abwarten und Tee trinken? Das wäre schon eher eine Empfehlung gewesen, die Fietjes Phlegma entsprach. Aber da eine Italienerin keinen Tee trank, kam auch das Abwarten nicht infrage.
Sie musste wohl doch ihren ganzen Mut zusammennehmen und zu Magdalena Feddersens Haus fahren, um dort nach Donata zu suchen. Vielleicht war sie gestürzt und ohnmächtig geworden? Oder sie hatte sich ein Bein gebrochen und konnte das Haus nicht verlassen? Möglich auch, dass sie eine Herzattacke erlitten hatte!
Mamma Carlotta erinnerte sich plötzlich, dass Donata während des Fluges ihr schwaches Herz erwähnt hatte. Womöglich hatte sie sich nicht getraut, Hilfe herbeizutelefonieren, weil sie damit bekennen musste, dass sie in ein Haus eingebrochen war, das die Polizei versiegelt hatte.
Mamma Carlotta wendete ihr Fahrrad und bog in die Seedüne ein. Natürlich, so musste es sein! Einen anderen Grund konnte es nicht geben, dass Donata nicht ins Hotel zurückgekehrt war! Warum war sie nicht eher darauf gekommen? Donata
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