Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
also nach dem 11. September 2001 aufgenommen worden sein.« Er wartete, bis die Staatsanwältin endlich aufblickte und in ihrem Gesicht die Anerkennung zu lesen war, auf die er gewartet hatte. »Ich brauche einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss«, sagte er leise. »Und voraussichtlich einen internationalen Haftbefehl.«
Ihr Weg führte nicht zwangsläufig an Käptens Kajüte vorbei, aber es würde ihr auch niemand vorwerfen können, einen Umweg gemacht zu haben, um bei Tove einen Cappuccino zu trinken. Mamma Carlotta stieg vom Fahrrad und klopfte an die verschlossenen Fensterläden von der Imbissstube. Aber niemand öffnete. Vermutlich war Tove noch im Großmarkt. Schade! Mamma Carlotta hätte sich vor ihrer Mission gerne Zuspruch von ihm geholt.
Sie stieg wieder aufs Rad und fuhr mit leisen, aber unüberhörbaren Missfallensäußerungen an einer Frau vorbei, die ihr Alter und ihre Figur hatte, jedoch mit deutlich weniger Kleidung auskam. »Scandoloso!«, brummte Mamma Carlotta. Wenn der Frau die Spaghettiträger gerissen und die Brüste auf den Hosenbund gefallen wären – Mamma Carlotta hätte ihr nicht beigestanden, sondern ihr etwas von gerechter Strafe erzählt.
Sie bog in den Risgap ein und fuhr ihn auf und ab, um sich Mut zu machen. Würde Frau Berhenne ihr glauben? Würde sie bereit sein, die Neugier einer Fremden zu befriedigen? War es nicht besser, Erik zu informieren? Musste er nicht eigentlich erfahren, dass Gero Fürst in seinem Manuskript einen Mord beschrieb, der wirklich geschehen war? Und bewies die Beschreibung weiterer Einzelheiten nicht, dass Gero Fürst mehr wusste über den Mord an Magdalena Feddersen? Mehr sogar als Erik! Und der hätte natürlich auch längst erfahren müssen, dass Gero Fürst Valerie für schuldig hielt, für grausam, egoistisch und verantwortungslos und dass er fand, sie müsse bestraft, verhaftet und eingesperrt werden.
Mamma Carlotta stieg ab und sah sich um. Nein, sie wollte Erik nicht gestehen, dass sie den Streit zwischen Valerie und Gero Fürst belauscht hatte. Neugierig würde er sie schimpfen, indiskret und taktlos. Auch Carolin war der Ansicht gewesen, man solle ihren Vater lieber nicht mit unbewiesenen Behauptungen verunsichern. Sie fand es richtig, erst mal zu recherchieren, ob die Ähnlichkeiten wirklich so gravierend waren, wie es den Anschein hatte. Und da Mamma Carlotta sehr beeindruckt vom Wort »recherchieren« war, hatte sie sich darauf eingelassen.
Außerdem durfte Carolin ihr Wissen ja nicht preisgeben. Sie hatte eine Vereinbarung unterschrieben, die ihr untersagte, über den Inhalt des Manuskripts zu sprechen. Und sie würde in Teufels Küche kommen, wenn ausgerechnet dieses Manuskript die Grundlage für die Aufklärung eines Mordes war. Nein, Carolin hatte recht. Sie musste schweigen. Und Mamma Carlotta hatte ihrer Enkelin in die Hand versprochen, ebenfalls kein Wort verlauten zu lassen.
Hinter der Tür blieb es lange still, nachdem sie geklingelt hatte, dann waren schlurfende Schritte zu hören. Als die Tür sich öffnete, wusste Mamma Carlotta sofort, dass sie ihresgleichen vor sich hatte. Eine Frau, die sich dankbar auf jedes Gespräch einließ und am Ende froh sein musste, wenn ihr Gesprächspartner nicht alles, was er erfahren hatte, mit der Goldwaage wog. Mit zuckersüßem Lächeln brachte Mamma Carlotta die Lügen vor, die sie mit Carolin einstudiert hatte. Dass sie ein Apartment in Morsum gemietet habe, in dem sie sich nicht wohlfühle, und nach einer Möglichkeit suche, ihre restlichen Ferien in einem angenehmeren Ambiente zu verbringen. Von mehreren Westerländern sei ihr das Haus Berhenne in Wenningstedt empfohlen worden. »Nirgendwo soll es gemütlicher sein als bei Ihnen.«
Frau Berhenne glaubte ihr jedes Wort, vernahm mit Staunen, dass sie eine Italienerin vor sich hatte, und fühlte sich allein dadurch hoch geehrt. Ihr Ehemann, der auf See geblieben war, hatte ihr gelegentlich von Neapel erzählt, wo er oft an Land gegangen war, von den schönen Frauen, dem angenehmen Klima und dem süffigen Wein. Dass Mamma Carlotta noch nie in Neapel gewesen war, spielte keine Rolle. Für Frau Berhenne zählte das Prinzip. Sie bedauerte lebhaft, dass leider zurzeit kein Apartment in ihrem Hause frei war, was Mamma Carlotta erleichtert zur Kenntnis nahm, deren letzte Sorge es gewesen war, dass Frau Berhenne ihr freudig ein soeben durch Krankheit frei gewordenes Apartment anbieten konnte.
Dann wurde sie aufgefordert, sich das Haus Berhenne
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