Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
ihr schon so früh auf? Ihr habt doch keine Schule!«
Carolin antwortete nicht, vielleicht, weil sie ihrem Vater Gelegenheit geben wollte, sich ohne fremde Hilfe daran zu erinnern, dass sie einen Job bei Gero Fürst angenommen hatte.
Felix’ Reaktion war weniger gnädig. »Vielleicht denkst du mal daran, dass wir am Sonntag ein wichtiges Fußballspiel haben? Die Grauen Husumer sind eine starke Mannschaft.«
»Die Sylter Lümmel etwa nicht?«, fragte Erik.
»Wir sind sogar noch besser«, gab Felix großspurig zurück. »Aber Mathis sagt, wir sollten jede freie Minute nutzen, um zu trainieren. Sicher ist sicher.«
Mamma Carlotta sah ihren Enkel entrüstet an. »Du bist ein Sylter Lümmel? Das ist mir aber gar nicht recht.«
»Nonna, das ist anders, als du denkst. Die Sylter Lümmel sind keine ungezogenen Jungs, sondern leckere Würste.«
»Mit Sylter Solesalz«, ergänzte Erik. »Sehr lecker.«
Mamma Carlotta war verwirrt. »Ihr seid eine Mannschaft von Würstchen?«
Felix verdrehte die Augen. »Wir haben uns so genannt, weil uns das Sponsoren gebracht hat! Das kapiert doch wohl jeder.«
Mamma Carlotta kapierte es nur mit Mühe, aber sie zog es vor zu schweigen, da sie von ihrer Sorge um Carolin in Anspruch genommen wurde. Die griff nach der Zeitung und legte sie auf den Teller, damit niemand auf die Idee kommen konnte, ihr etwas aufzutun, was sie nicht essen wollte. Als Mamma Carlotta beobachtete, dass die Hände ihrer Enkelin zitterten, wurde sie immer unruhiger. »Carolina, du musst etwas essen.«
Aber Carolin antwortete nicht und sah auch nicht auf.
»Wir müssen los«, sagte Erik zu seinem Assistenten, kaum dass dessen Teller leer war. »Wir fahren ins Hotel Feddersen.« Er legte Sören sein Handy hin. »Hier finden Sie die New Yorker Telefonnummer, von der Dogas gestern Abend angerufen wurde. Sie gehört einem gewissen Reginald Warden. Auf dem Weg zum Hotel können Sie herausfinden, ob er wirklich Immobilienmakler ist. Sie sprechen besser Englisch als ich.«
»Mein Englisch ist eine Katastrophe, das wissen Sie genau«, gab Sören zurück und warf Erik einen Blick zu, als hätte er eine Strafarbeit aufbekommen. »Außerdem ist in New York noch tiefste Nacht. Sechs Stunden Zeitverschiebung!«
Erik runzelte die Stirn. »Dann rufen Sie eben in sechs Stunden dort an.«
Sörens Hoffnung, an einer Demonstration seiner Englischkenntnisse vorbeizukommen, fiel in sich zusammen. »Was sollen wir überhaupt schon so früh im Hotel Feddersen?«
»Mit Dogas reden«, antwortete Erik und stand auf.
»Wetten, dass er noch schläft?«
»Dann werden wir ihn wecken.«
Sören starrte seinen Chef an. »Um acht Uhr morgens?«
Erik nickte. »Und die Staatsanwältin auch.«
»Dogas hat gerade einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Und mit der Staatsanwältin haben Sie sowieso schon genug Ärger, auch ohne sie aus dem Schlaf zu holen.«
»Ich erzähle Ihnen alles auf dem Weg zum Hotel.«
Mamma Carlotta fing einen Blick auf, der sie verletzt hätte, wenn sie nicht vollauf damit beschäftigt gewesen wäre, Carolins Aufmerksamkeit auf ein Stück Toast mit Honig zu lenken. Dass das Kind etwas in den Magen bekam, war wichtiger als die im Prinzip ärgerliche Tatsache, dass Erik ihr augenscheinlich etwas verschweigen wollte.
»Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund«, seufzte Sören und folgte Erik zur Tür.
»Einen sehr guten Grund«, betonte Erik. »Da es ja noch keinen Sinn hat, mit New York zu telefonieren, können Sie unsere Münchner Kollegen anrufen. Sie sollen sich darauf einstellen, das Haus von Severin Dogas zu durchsuchen. Vor allem das Büro seiner Frau.«
»Weiß die Staatsanwältin das schon?«, wollte Sören wissen.
»Sie wird es gleich erfahren. Und Sie können sicher sein: sie wird den Durchsuchungsbeschluss unterschreiben, ohne mit der Wimper zu zucken.«
Kaum waren Erik und Sören aus dem Haus, nahm Felix seinen Teller und trug ihn ins Wohnzimmer, um sein Frühstück vor dem Fernseher zu beenden. Sein Vater duldete nicht, dass er schon am Morgen angestellt wurde, und seine Großmutter hätte es auch nicht zugelassen – aber in diesem besonderen Fall war sie froh, ein paar Augenblicke mit Carolin allein zu sein, um die sie sich allmählich große Sorgen machte. Noch immer starrte das Kind in die Zeitung, war blasser als je zuvor, reagierte nicht darauf, dass ihre Großmutter ihr Haargummi löste, und strich nicht einmal die Haarsträhne zurück, die ihr anmutig in die Stirn fiel.
»Papa hat ein
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