Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
Vom Netzwerk:
lang, und als Bera den Mund öffnen wollte, legte er ihr einen Finger auf die Lippen. »Tagtäglich«, sagte er. »Auf die gleiche Weise, wie ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um zu dir zurückzukehren, wenn wir getrennt wären. Oder wäre dir ein Mann lieber, der diejenigen, die ihm am wichtigsten sind, vergisst, sobald er sie aus den Augen verloren hat?«
    Bera schüttelte den Kopf und lächelte. Ihre Lippen bebten. »Ich … Nein, natürlich nicht. Aber es ist nicht immer einfach, mit Gespenstern zu leben. Manchmal habe ich das Gefühl, ständig von ihnen umgeben zu sein.«
    »Was, glaubst du, wie es sich für mich anfühlt?«, fragte Karl. Er erwiderte das schwache Lächeln, das über ihre Lippen huschte. Vor seinem inneren Auge blitzten in schneller Folge Bilder von Karla, Lisane, Jarl und – obwohl er es natürlich nie gesehen hatte – sogar von seinem ungeborenen Kind auf.
    »Sag mir, was du gerade denkst«, bat Bera.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das klug ist«, erwiderte er.
    »Nein, ich möchte es wirklich wissen.«
    »Ich habe …«, begann Karl. »Ich habe versucht auszurechnen, wie lange es noch bis zur Geburt ist. Sie müsste ungefähr um diese Tage herum stattfinden.« Seine Familie hatte – gegen den anfänglichen Widerstand Karlas – beschlossen, sich überraschen zu lassen, ob das Kind ein Junge oder ein Mädchen werden würde. Falls wir diese Geschichte nicht überstehen, überlegte Karl, ist das dann vielleicht die Art des Universums, meinen Tod zu kompensieren? Mein Tod für das Leben meines Kindes? Und wenn ja, welches Leben wird dann als Ausgleich für den Tod von Bera und den anderen entstehen?
    Er fragte sich, ob seine Familie verstehen würde, was er hier tat, sofern sie überhaupt jemals erfuhr, was aus ihm geworden war; er war sich nicht einmal sicher, ob er es selbst begriff. Irgendwann im Verlauf seiner Reise, vielleicht nach seiner Begegnung mit Coeo, vielleicht nachdem sie alle einander das Leben gerettet hatten, hatte er die Verantwortung für jeden seiner Gefährten übernommen.
    »Du hast einfach zu viel Zeit zum Nachdenken«, sagte er, wobei er sich durchaus bewusst war, dass das ebenso für ihn galt. »Aber das wird nicht lange so bleiben. Genieß die Situation also, solange du kannst.«
    Einen Tag später erlosch der schwache Zug der Gravitation zum ersten Mal nach etwas mehr als neun Tagen wieder so abrupt, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Unmittelbar zuvor war überall im Schiff das Heulen einer Warnsirene erklungen, das den Wendepunkt ihrer Reise angekündigt hatte. Karl machte sich auf den Weg zur Brücke, obwohl er keine Wache hatte. Orn und Arnbjorn drehten sich zu ihm um, als er durch die Tür schwebte.
    »Ich werde uns jetzt von Fenris lösen«, verkündete Loki. »Wir werden für etwa 20 Sekunden mit 1 g beschleu nigen und den Kometen dabei auf einer polaren Umlaufbahn umkreisen.« Er machte eine kurze Pause, bevor er hinzufügte: »Sofern ich die widerspenstige Manövrierdüse überreden kann, sich anständig zu benehmen.«
    »Macht sie immer noch Schwierigkeiten?«, fragte Karl.
    »Ja, aber wenn man bedenkt, wie lange das Schiff in einem gefrorenen See festgesteckt hat, ist es schon ein Wunder, dass wir keine größeren Probleme haben. Ein Beleg dafür, wie robust das Schiff gebaut worden ist.«
    »Richtig.«
    »Du solltest das Scheppern, Knarren und Knirschen in den unteren Decks hören«, warf Orn ein. »Auf Deck elf herrscht ein Lärm, als würden jeden Moment die Nieten aus den Wänden fliegen.«
    »Das Scheppern und Knirschen stammt lediglich von lockeren Verkleidungen«, erklärte Karl breit grinsend. »Wenn du dem kleinen Behelfskontrollraum im Triebwerksbereich einen Besuch abstatten würdest, könntest du dir einen sehr viel schlimmeren Krach anhören. Natürlich abgesehen davon, dass der Lärm dir innerhalb weniger Sekunden das Trommelfell zerreißen würde.«
    »Da wir gleich aus dem Schatten heraustreten, schließe ich wieder die Sichtschutzblenden«, gab Loki bekannt.
    Karl verfolgte auf dem Monitor, wie die zerklüftete Oberfläche des Kometen an ihnen vorbeiglitt und zusammenschrumpfte, als sich die Winter Song auf ihrer Bahn von Fenris entfernte.
    »Wir können das Hangzhou-Relais jetzt nicht mehr erreichen«, meldete Loki.
    Während der letzten zehn Tage hatte die Winter Song ihren Notruf in der Hoffnung an das Relais gesandt, dass ein Ruf mit einer zweiten Signatur mehr Aufmerksamkeit erregen würde als der

Weitere Kostenlose Bücher