Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
hattest das gelernt, was eine der Stimmen als Sozialisation bezeichnete, und warst merkwürdig stolz darauf, obwohl du wusstest, dass du in dieser Hinsicht nicht mehr als ein Anfänger warst, selbst verglichen mit kleinen Kindern. »Ja?«
»Dann bist du also wieder Loki?«, vergewisserte sich Bera.
Das war eine echte Frage, wie die Sozialisationsparameter dir zeigten. Fragen erforderten Antworten. »Ja. Ich bin Loki, Iokaste … Bera.« Sie lächelte über die Berichtigung ihres Namens, und du wusstest, dass du ihr soeben eine Freude bereitet hattest, was ein Prickeln in dir hervorrief. Vielleicht weiß sie nicht mehr von der Iokaste in ihr, von ihrer mütterlichen Persönlichkeit, als der Andere von uns weiß.
»Ich weiß nie, mit welcher Version von dir ich es gerade zu tun habe. Vor gerade mal einer Minute warst du noch Karl.«
Das war keine Frage, weshalb du auch nicht antworten musstest. Trotzdem gab es Dinge, die du gern erläutert hättest, zum Beispiel, dass ihr beide gern heimkehren würdet, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, doch diese Gedanken waren viel zu umfangreich, um sich mithilfe des begrenzten Vokabulars ausdrücken zu lassen, das das einzige Kommunikationsmittel für diese Leute darstellt. »Brauche Bilder«, sagtest du stattdessen, während du auf die Karten deutetest. »Bilder von Bergen. Seen. Wüsten.« Der Blick aus dem All unterscheidet sich gravierend von dem, was auf einer Karte zu sehen ist.
»Hier.« Bera reichte dir einen Stoß ähnlich zerknautschter Fotos, die sie aus dem kleinen Kartenbündel zog. »Ausdrucke von Satellitenaufnahmen, während der Zeit vor dem Verschwinden der Gestalter angefertigt. Die meisten sind allerdings eher meteorologische oder topografische Darstellungen statt Fotos.« Sie seufzte. »Die Gestalter haben die Satelliten, die sie noch brauchen konnten, mit sich genommen, und den Rest als Nachschub für die Norns über Nornadalur abstürzen lassen. Alle Bilder, die wir haben, stammen aus der Zeit vor ihrem Verschwinden. Diejenigen, die wir noch haben – und das sind nicht gerade viele –, sind heute wahrscheinlich nicht mehr besonders hilfreich.«
»Keine neuen?«, fragtest du.
Bera schüttelte den Kopf. »Und selbst wenn, würdest du sowieso nicht einmal in ihre Nähe gelangen. Wir müssen zur Wetterbeobachtung mit bodengebundenen Funkstationen auskommen, die über den gesamten Planeten verstreut sind. Ragnar und die anderen Gothis brüten ständig über den Daten, die die Stationen liefern, und versuchen, mit ihrer Hilfe Wettervorhersagen zu erstellen. Bei Freya, selbst wenn sie immer noch auf Satelliten zugreifen könnten, würdest du nie ein Foto davon zu Gesicht bekommen. Sie würden alle wie einen kostbaren Schatz horten.«
Du nahmst dir Zeit, die Bilder eingehender zu betrachten und nach einer Antwort zu suchen.
»Letzte Analyse der Atmosphäre Isheimurs: Heliumanteil auf drei Prozent gesunken, Neon auf fünf, Stickstoff auf 73, Sauerstoff auf 18 gestiegen, CO 2 auf 0,02 Prozent gestiegen …«
Du hattest angefangen, allmählich eine Vorstellung davon zu bekommen, wie viel Zeit verstrichen war, seit der Andere die Kontrolle übernommen hatte. Anfangs waren da nur leere Flecken, doch jetzt begannen ein paar kostbare Bilder durch die Barrieren zwischen den verschiedenen Bereichen des Gehirns zu dringen, in denen seine und deine Erinnerungen verstreut gespeichert waren. Dein Bewusstsein war zusammenhangslos und ungeordnet in kleine Segmente überall im Gehirn gequetscht worden, zwischen denen erst noch Verbindungen hergestellt werden mussten. Deshalb hätte dich dieses langsame Durchsickern von Daten eigentlich nicht überraschen dürfen.
Der nächste Tag war angebrochen.
Du gingst mit zwei anderen Männern über einen Hang. In der Ferne blitzte es über dem südöstlichen Horizont. Einer der Männer zuckte zusammen.
»Die Sturmsaison bricht los«, sagte der andere Mann. Groß, mit dunklem Haar und kahlen Stellen inmitten der Gesichtsbehaarung: Arnbjorn Ragnarsson, meldete sich eine Erinnerung. Also Ragnars Sohn.
»Sturmsaison?«, fragtest du. Du hattest festgestellt, dass dies der optimale Prozess zur Informationsübermittlung von Gehirn zu Gehirn ist, über die Münder der anderen in deine Ohren. Wenn du wiederholtest, was sie gesagt hatten, erläuterten sie die Informationen in der Regel ausführlicher.
»Aye, Loki«, bestätigte Arnbjorn. »Die Sturmsaison.«
Da er keine weiteren Auskünfte lieferte, kamst du zu dem Schluss, dass
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