Gestrandet
Darstellung zeigte einen Humanoiden mit kleinen Beinen, einem breiten Oberkörper und einem bemerkenswert großen Kopf. Das Gesicht brachte Grausamkeit zum Ausdruck.
Grrua wartete, bis alle eine Statue hatten. Selbst Paris und Torres wurden gebeten, ihre Reparaturarbeiten zu
unterbrechen. »Zeigen Sie Ihre Schnitzerei, Parrris«, sagte Grrua.
Der Pilot hob eine hübsche, zart anmutende Pflanze. Ein Stengel trug eine große Blüte, und unten wuchsen gezackte Blätter. Janeway fühlte sich plötzlich an Kes erinnert.
»Das ist eine Kai-Pflanze«, erklärte Grrua. »Meiden Sie ihre Nähe. Sie ist so groß wie Sie, Parrris, vielleicht sogar noch größer, und ein süßlicher, unschuldiger Duft geht von ihr aus.
Doch sie verzehrt Fleisch und würde nicht zögern, Sie oder irgendeinen Vogel zu fressen, der ihre Blütenblätter für den Nestbau verwenden möchte.«
Tom betrachtete die Statue mit neuem Respekt und gab sie dann an Torres weiter. »Blumen für die Dame?« meinte er scherzhaft. »Ich finde, eine fleischfressende Pflanze paßt gut zu Ihnen.«
B’Elanna warf ihm einen finsteren Blick zu, als sie die Statuette entgegennahm.
»Jetzt Sie, B… B…« Es gelang Grrua nicht, den Vornamen der Chefingenieurin auszusprechen. »Torrres«, sagte sie schließlich.
B’Elanna streckte die rechte Hand aus und zeigte ein Tier, das eine Kreuzung zwischen Eichhörnchen und Fledermaus zu sein schien. Mit den großen Augen im kleinen Gesicht wirkte es sehr niedlich, doch nach der Pflanze rechnete Janeway mit dem Schlimmsten.
Sie wurde nicht enttäuscht. »Das ist ein Kakkik. Solche Geschöpfe greifen nicht den Körper an, sondern den Geist. Sie können Wahnsinn bewirken und das Verhalten beeinflussen.«
»Ein Psychoraubtier«, sagte Tuvok. »Faszinierend.«
»Bitte zeigen Sie uns Ihre Schnitzerei, Janeway.« Sie hob den sonderbaren Humanoiden. »Das ist ein Xian«, verkündete Grrua ernst. »Die Xianer sind Lebensnehmer. Es gehört zu ihrer Kultur. Sie glauben, daß ihr eigenes Volk um so stärker wird, je mehr Blut fließt. Ihre Ankunft zwang die Wächter von Neu-Hann zu strengeren Sicherheitsmaßnahmen. Sie schufen dort Furcht, wo es zuvor nur Kooperation gab. Seien Sie ihnen gegenüber sehr, sehr vorsichtig. Hrrrl wird sich alle Mühe geben, ihre Siedlungen zu meiden, aber manchmal schicken die Xianer Jagdgruppen aus. Sie sind die gefährlichsten Feinde auf diesem Planeten, denn sie verfügen über Intelligenz. Die anderen Wesen sind Tiere und Pflanzen, die nur den Gesetzen ihrer Natur gehorchen. Aber die Xianer…« Voller Verachtung knirschte sie mit den Zähnen.
Janeway fragte sich, ob Grruas Worte wirklich die ganze Wahrheit beschrieben. Die Sshoush-shin-Köchin schien davon überzeugt zu sein, aber Janeway wußte auch, daß die
›Wahrheit‹ oft vom jeweiligen Blickwinkel abhing. So hatten die Einwohner Afrikas einst als Primitive gegolten, die sich nur für die Sklaverei eigneten. Oder man nehme die Horta von Janus IV. Sie waren intelligent und zeichneten sich im Grunde genommen durch ein sehr sanftes Wesen aus, aber man hatte sie einmal Teufel der Dunkelheit genannt und sie getötet, wann immer sich Gelegenheit dazu bot. Gräßliche Mißverständnisse führten zu Jahrhunderten der Unterdrückung, brachten Leid und Tod. Vielleicht lag ein solches Mißverständnis auch in Hinsicht auf die Xianer vor. Möglicherweise, machten sich die Sshoush-shin ein falsches Bild von ihnen.
Doch es stand Janeway nicht zu, Grrua zu widersprechen. Bei dieser Mission ging es nicht um Völkerverständigung, sondern ums reine Überleben. Sie betrachtete noch einmal das grausame Gesicht und reichte die kleine Statue dann Tuvok.
»Bitte zeigen Sie uns Ihre Schnitzerei, Bokk«, fuhr Grrua fort.
Neelix hatte den Sshoush-shin keine Nahrungsmittel stehlen wollen, doch ihm war keine andere Wahl geblieben. Jemand mußte Kes befreien, und Janeway wollte sich zunächst um andere Dinge kümmern. Dadurch ging wertvolle Zeit verloren, und Neelix glaubte fest daran, daß jede Sekunde zählte. Zwar handelte er keinen direkten Anweisungen zuwider, aber er fühlte sich trotzdem schuldig. Während er einen Fuß vor den anderen setzte und dabei kleine Staubwolken aufwirbelte, griff er in seinen Beutel – den er sich ebenfalls von den Sshoushshin ›geliehen‹ hatte –, holte ein Stück getrocknetes Fleisch daraus hervor und schob es sich seufzend in den Mund.
Die geborstene Kuppel – Neu-Hann war glücklicherweise so groß, daß man sie
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