Gesucht wird Charity
entrüstet.
»Gruppentherapie funktioniert
nicht auf diese Weise.« Sie ließ mir ein nachsichtiges Lächeln zukommen. »Wir
müssen alle zusammen im Wasser stehen, und zwar in physischem Kontakt, so daß
sich unsere Körper entspannen und wir gegenseitiges Vertrauen aufbringen
können. Dann können die Emotionen frei an die Oberfläche unseres Bewußtseins aufsteigen.«
»Und Sarah Manning wird genau
wie wir anderen bis zum Hals in der Brühe stehen?«
»Natürlich.«
»Das erleichtert mich ein
bißchen«, sagte ich.
Sie servierte schwarzen Kaffee
und Kognak. Ich bot ihr eine Zigarette an, die sie ablehnte. Sie forderte mich
jedoch auf, zu rauchen. Die Barriere bestand nach wie vor zwischen uns, fand
ich, aber nicht mehr so greifbar wie am Anfang.
»Der ganze Gedanke der Gruppentherapie
beruht darauf, die Menschen von ihren Hemmungen zu befreien«, sagte Daniela
plötzlich, »so daß sie ehrlich und objektiv über sich selbst reden können. Wir
wollen, daß sie ihre Feindseligkeit, ihre Aggression, ihre Ängste offen zeigen.
Das bedeutet gelegentlich, daß sechs bis acht Leute einander anschreien oder
sich in den Armen liegen und weinen. Jedenfalls ist es keinen Augenblick
langweilig.«
»Das glaube ich Ihnen«, sagte
ich aufrichtig.
Sie warf einen Blick auf die
kleine Platinarmbanduhr an ihrem Handgelenk. »Ich glaube, es ist besser, wenn
wir drei Frauen zuerst zur Quelle hinuntergehen, und Sie kommen ein paar
Minuten später nach. Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick.«
Zum Zeitpunkt, als ich meine
Zigarette zu Ende geraucht hatte, kam sie wieder ins Zimmer zurück. Sie trug
einen knielangen Bademantel.
»Ich habe im Schlafzimmer für
Sie einen Bademantel hinterlassen«, sagte sie. »Sie können sich umziehen,
sobald ich gegangen bin.«
»Umziehen?« sagte ich verdutzt.
»Sie wollen doch wohl nicht
völlig angezogen in eine heiße Schwefelquelle steigen?«
»Sie meinen, wir werden alle
nackt sein?« sagte ich mit erstickter Stimme.
»Natürlich«, sagte sie munter.
»Ich gehe jetzt, um Sarah und Charity abzuholen.
Lassen Sie mir zehn Minuten Vorsprung, dann kommen Sie nach. Sie kennen den Weg
zum Büro?«
»Ja.« Ich nickte.
»Gleich dahinter werden Sie auf
einen Pfad stoßen, der an der Klippe hinabführt. Folgen Sie ihm, dann können
Sie den Weg nicht verfehlen. Die Quelle befindet sich auf halber Höhe der
Klippe in einer natürlichen Felsformation, die einen rund zwanzig Meter langen
und zwanzig Meter breiten Teich bildet, der überall ein Meter zwanzig bis ein
Meter fünfzig tief ist. Sogar Nichtschwimmer können sich völlig sicher fühlen,
wenn sie darin stehen.«
»Klingt sehr vergnüglich.«
»Noch etwas, Rick. Ich leite
die Diskussion, aber Sie müssen mich unterstützen, sonst machen die beiden
anderen nicht mit. Sie werden es schwierig finden, nicht die Geduld zu
verlieren, aber machen Sie sich keine Sorgen, wenn das geschieht. Nur vergessen
Sie nicht, daß der Zweck der Sache ist, Charity zu
helfen.«
»Ich werde es nicht vergessen«,
sagte ich.
Ihre dunklen Augen blitzten
plötzlich auf. »Der Himmel sei Ihnen gnädig, wenn Sie das tun«, sagte sie, und
der leise drohende Unterton war wieder in ihrer Stimme.
Dann drehte sie sich um und
verließ das Zimmer. Ich hörte gleich darauf, wie die Haustür sich hinter ihr
schloß, stand vom Tisch auf und ging ins Schlafzimmer. Auf dem Bettüberzug lag
ein Bademantel und daneben die schwarze Seidentunika und die Hose, die sie
getragen hatte. Ich zog mich aus und legte meine Sachen auf den Bettüberzug
neben die ihren — und nach kurzem Überlegen schob ich die Achtunddreißiger in ihrem Halfter darunter. Ich blieb einen Augenblick lang nackt stehen, bevor
ich den Bademantel überzog, wonach ich mich aus irgendeinem unerklärlichen
Grund noch nackter fühlte als zuvor. Meiner Uhr zufolge hatte ich noch fünf
Minuten Zeit, und so kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, um ein letztes Glas
Chianti zu trinken. Die nächsten fünf Minuten vergingen wie Sekunden, und ich
wanderte entschlossen, wenn auch nicht gerade tapfer, in die kühle Nachtluft
hinaus.
Wie Daniela gesagt hatte, war
es leicht, den Pfad hinter dem Büro zu finden. Ein Dreiviertelmond hing am
Nachthimmel, und sein Licht reichte aus, um den Spaziergang zu erleichtern. Der
Felsenteich befand sich plötzlich unmittelbar vor mir, und als ich näher kam,
konnte ich die drei Köpfe über der Wasseroberfläche sehen, die sich mir
zuwandten.
»Kommen Sie zu uns
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