Gesucht wird Charity
Sie seien ihrem Vater gegenüber
unfair gewesen«, sagte ich. »Sie versuchten, sie ausfindig zu machen, was Ihnen
nicht gelang; dann rief Earl an und erzählte Ihnen, Charity sei bei ihm.«
»Er schilderte auch ihren
Zustand«, sagte Mary Rochester in scharfem Ton. »Es war eine heftige
Übertreibung, aber das wußte ich damals nicht. Er schlug auch vor, ich solle
sofort nach Los Angeles fliegen und ihn besuchen, solange Charity in seinem Haus sei. Wir sollten versuchen, uns wieder zu versöhnen — ich hielt
das damals für eine Geste der Großmut.« Ihre Stimme klang belegt vor
Verachtung. »Alles, was er haben wollte, war Geld! Er belästigte mich damit von
dem Augenblick an, als ich eintraf. Er sagte, er sei völlig verzweifelt, und es
könne mir nicht weh tun, ihm einen Teil von den Zuwendungen zurückzugeben, die
ich bei der Scheidung bekommen hatte. Ich erklärte ihm, daß alles an ihrem
einundzwanzigsten Geburtstag an Charity ginge, und
daran könne nichts, was er einwenden würde, etwas ändern.«
»Wann rückte er mit der
Entführungsidee heraus?« fragte ich. »Noch bevor Charity nach Big Sur ging?«
»Ihr Wunsch, dorthin zu gehen,
gab ihm den Gedanken ein! Er war überzeugt, die nachfolgende Publicity würde
ihn wieder beruflich hochbringen. Da wurde mir klar, daß er nicht mehr normal
ist, Mr. Holman . Ich tat so, als ließe ich mich
allmählich von ihm überzeugen, daß das eine gute Idee sei. Und, wie Sie bereits
wissen, ich schickte Johnny Legarto hinauf nach Big Sur . Es geschah nicht nur, um Charity zu schützen. Ich bat ihn auch, Malone und die Männer, die er angeheuert hatte,
zu beobachten. Ich beabsichtigte, in dem Augenblick auszupacken, in dem Earl
seine große Schau vor den Zeitungen abgezogen und die Qualen geschildert hatte,
die er erdulden mußte, bevor seine Tochter wieder in seine Arme zurück gebracht
worden sei.« Ihre Augen glitzerten. »Ich wollte die ganze Sache als üblen Trick
entlarven. Eine schmutzige Publicityhascherei ,
arrangiert von einem verblassenden Star, der die körperliche und geistige
Gesundheit seiner eigenen Tochter aufs Spiel setzte, um seinen früheren Status
wiederzuerhalten. «
»Wie hätte Earl darauf
reagiert?« überlegte ich laut.
»Es hätte ihn umgebracht«,
sagte sie kalt. »Es hätte sein billiges, kleines Ich komplett erschüttert. Er
hätte sich entweder umgebracht oder wäre völlig übergeschnappt, so daß man ihn
irgendwo hätte einsperren müssen. Ich wollte ihn völlig vernichten, Mr. Holman . Es war die einzige Möglichkeit, Charitys zukünftige Sicherheit zu garantieren.«
»War es Earls Einfall, mich in
das Komplott einzuspannen?« fragte ich.
»Das war die Idee meines
lieben, kleinen Schwesterchens«, sagte sie mit gepreßter Stimme. »Nur ging der Schuß gleich am ersten Abend, als Sie ins Haus kamen,
nach hinten los, nicht wahr? Nachdem Sie sich geweigert hatten, das Spiel
mitzumachen, und Claudia mit Ihnen hierherkam, war Earl verzweifelt. Es war die
Manning, die auf den Gedanken kam, Earl solle zu Ihnen gehen und zugeben, daß
die Entführung Bluff war, aber Ihnen zugleich erzählen, daß Charity nun tatsächlich aus der >Zuflucht< verschwunden sei.«
Ihr Mund zuckte verächtlich.
»Vermutlich versuchte Claudia, Sie im Augenblick, als sie hier eintraf, ins
Bett zu locken? Das war von jeher ihr Rezept zur Lösung jedweden Problems,
selbst als sie noch sehr jung war. Sie muß wissen, daß die Manning bei jeder
sich ergebenden Gelegenheit mit Earl schläft, aber das scheint ihr nicht das
geringste auszumachen.«
»Vielleicht hat sich Claudia im
Verlauf ihrer Ehe mit Earl an dergleichen gewöhnt?« sagte ich vage.
»Oder vielleicht ist ihr ihre
Beziehung zu Earl weniger wichtig als die zu der Manning?« sagte sie in
ätzendem Ton. »Um nicht wie die Katze um den heißen Brei herumzugehen, Mr. Holman , ich kenne schließlich meine jüngere Schwester seit
sehr langer Zeit, und sie ist nicht nur von jeher eine Nutte, sondern eine
bisexuell veranlagte Nutte gewesen.«
Mir fiel keine passende Antwort
ein, also äußerte ich mich nicht. Mary Rochester wartete eine Weile, dann riß
ihr der Geduldsfaden.
»Gibt es sonst noch was, Mr. Holman ? Ich muß bald zurückfahren.«
»Ist Sarah Manning wieder in
Earls Haus zurück?«
»Ja, und auch dieser
widerwärtige Mann, Malone. Der vulgären Art und Weise, in der er sie die ganze
Zeit über von der Seite her anschielt — und seinen schmutzigen Anspielungen
nach — , könnte man annehmen,
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