Gesundheit, Herr Doktor!

abzubrechen. »
    «Unerhört! Soll ich über Dinge wie die Provision für einen neuen Elektroencephalographen oder gar den Parkplatz für meinen Wagen mit einem der Arbeiter diskutieren?» fragte er verachtungsvoll.
    «Pip sagt, in Rußland halten sie’s so», teilte Faith ihrem Vater kaltblütig mit. «Sämtliche Arbeiter des Gesundheitsdienstes sind dort seit Jahren in derselben Gewerkschaft. Einschließlich der Ärzte. Und jeder Mensch weiß, daß die russische Medizin zu den besten der Welt gehört. »
    «Mir ist es egal, ob russische Ärzte beim Klang von Balalaikas operieren und Schnee auf ihren Gummistiefeln haben. Hierzulande sind noch immer kärgliche Reste einer Demokratie vorhanden. Was soviel heißt, wie: Ich gebe die Befehle, und die Krankendiener fuhren sie aus.» Er verschränkte entschlossen die Arme.
    Faith seufzte. «Nun also, Daddy, jetzt weißt du um Pips Bedingungen für einen Abbruch des Streiks. Solange sie nicht erfüllt werden, wirst du leider das Bertie Bunn nicht dazu benützen können, den Scheichs noch mehr Schekel herauszuziehen. Oder ist das die falsche Währung?»
    «Wenn Pip Chipps meinen wohlmeinenden Rat annehmen will, dann soll er sich in den nächsten Zug setzen und nach Somerset fahren. Diese Krankendiener werden bald kapieren, daß er sie nur zum Narren hält, um seinen abnormalen Sinn für Humor zu befriedigen. Dann aber möchte ich nicht in seinen Schuhen stecken. Einige dieser Kerle sehen recht brutal aus, auch Kriminelle dürften sich unter ihnen befinden, wenn ich nicht irre.»
    «Gib dich keiner Täuschung hin, Daddy. Wir sind keine Streikbrecher.»
    «Du sprichst in diesem Fall von Leuten, die das menschliche Leben höher stellen als die gewerkschaftliche Solidarität.»
    «Ich sehe schon, du fühlst dich in bezug auf Gewerkschaften frustriert, wie viele deiner Klasse», sagte sie geduldig. «Aber du mußt das moderne Leben nehmen, wie es nun einmal ist.»
    «Ja. Da tut jedermann, was er will, ohne einen Gedanken auf das Wohl oder Weh seines Mitmenschen zu verschwenden. Und die schlimmsten Übeltäter sind die Regierungen.»
    Faith stand auf. «Ich bin in Eile. Ich muß zu einer Versammlung des Streikkomitees. Wenn du kapitulieren willst, brauchst du nur den Aufenthaltsraum der Krankenträger anzurufen.»
    Der Vorstand hieb auf die rosa Holzfaserplatte des Tischs. «Wir kapitulieren niemals», erklärte er mannhaft. «Wir werden an den Betten kämpfen, auf den Treppenabsätzen, in den Registraturen und in den Lagerräumen, wir werden in den Sälen kämpfen. Wir werden unser Spital verteidigen, was immer das auch kosten mag. Und außerdem, du dumme kleine Gans», schloß er, sich steigernd, «werden alle deine geilen und verrückten ehemaligen Studienfreunde genau dieselbe Antwort geben, wenn ich an ihren gesunden Menschenverstand appelliere und sie auffordere, Pip im Bogen hinauszuschmeißen.»
    Faith ließ ihren Vater weiter in den Kaffeesatz hineingrollen und ging. Seine diplomatische Offensive war an ihrem Gegenangriff gescheitert. Jetzt mußte er ihr an einer verletzlicheren Stelle beikommen.

14

    «Gib acht, Unheil naht.» Tony Havens leerte rasch seinen Bierkrug, stellte ihn auf die Theke der Hausbar und drehte dieser dann den Rücken zu. «Es ist der Vorstand», erklärte er, indem er mit dem Kopf auf die Tür wies.
    Hugo Raffles folgte prompt dem Beispiel seines Freundes. «Der ist ohne Zweifel gekommen, um die Bar zu schließen», meinte er mit umwölkter Miene.
    «Ich kann mir auch nichts anderes vorstellen. Seit ich im St. Swithin bin, hab ich den alten Aasgeier noch nie hier herinnen gesehen.»
    «Vielleicht will er eine Runde ausgeben?»
    «Da bringst du eher eine Leiche zum Furzen.»
    Bedrücktes Schweigen befiel die jungen Männer und die Damen, die sich an diesem Tag knapp vor dem Lunch in der Bar eingefunden hatten. Die Pfeilschützen wurden zu bewegungslosen Statuen, die Billardspieler erstarrten über ihren Queues, der Entsafter klickte einsam in der Stille. «Er lächelt», flüsterte Hugo entzückt.
    «Uns lächelt er an», bestätigte Tony mit hochgezogenen Brauen.
    «Am Ende ist er betrunken?»
    «Oder der Streik hat ihn um den Verstand gebracht. Er scheint den Streik recht ernst genommen zu haben. Den ganzen Morgen ist er herumgegangen, als stünde ihm eine Schädeltrepanation in einem Kleinstadtkrankenhaus bevor.»
    «Sprechen wir lieber seriös über Medizinisches», sagte Hugo, als der Vorstand sich suchend ihrer Ecke näherte.
    Tony Havens