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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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war ein Mercury mit 7,5 PS, der Ähnlichkeit mit dem Ersatzmotor des kleinen Schiffes hatte, mit dem er in seiner Jugend vor der Ostküste Marylands geschippert war. Er schraubte die Tankkappe ab, stellte fest, dass der Tank ungefähr zur Hälfte gefüllt war, und justierte die Starterklappe. Natürlich hätte er gerne den Einbruch der Dunkelheit abgewartet, aber das konnte er sich nicht leisten, denn derzeit durchkämmten Kate Ford und ihre italienischen Kollegen das Touristenviertel in der Umgebung des Hotels Rondo und befragten Ladenbesitzer, Restaurantinhaber und Hotelmanager, ob sie Jonathan gesehen oder mit ihm gesprochen hätten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie zum Hotel De La Ville kamen. Im schlimmsten Fall musste er damit rechnen, dass sie schon dort gewesen waren.
    Jonathan beugte sich vor, band das Boot los, zog den Anker hoch und setzte sich neben den Motor. Er zog an der Startschnur, und der Motor sprang an. In Jonathans Ohren klang das Geräusch so laut wie eine Explosion. Er steuerte das Boot aus der Bucht hinaus und folgte dem Verlauf der Küste in Richtung Norden. Dabei ließ er das Ufer nicht aus den Augen. Er rechnete damit, dass der Bootsbesitzer jede Minute aus einem der kleinen Ferienhäuser stürzen und laut rufend zum Strand rennen würde. Aber nichts geschah; niemand würdigte ihn eines Blickes.
    Nach kurzer Zeit war seine Kleidung getrocknet, und die Sonne brannte ihm auf den Kopf. Im Bug lag ein beschwertes Fischernetz. Jonathan breitete die Geldscheine aus seiner Brieftasche auf der Bootsbank aus und beschwerte sie mit den gummibeschichteten Gewichten, damit sie ebenfalls in der Sonne trocknen konnten.
    Langsam veränderte sich die Küstenlandschaft. Der Strand wurde von einem endlos erscheinenden Hafenpier abgelöst. Dahinter tauchten Berge in Jonathans Blickfeld auf; die schroffen Felswände fielen bis ins Meer ab. Zwischen den zerklüfteten Felsen erschienen hin und wieder azurblaue Buchten.
    Jonathan ließ den Blick über die Küstenlandschaft schweifen und suchte nach einem Platz zum Anlegen. Er musste seine Taktik ändern und aggressiver vorgehen. Sein Respekt vor den Gesetzeshütern war nicht mehr angemessen. Für einen Mann in seiner Situation war das Gesetz eher wie ein Stein, der einem im Weg lag. Und dem Gesetz - ob es nun durch Kate Ford, Charles Graves oder die Carabinieri vertreten wurde - hatte er es schließlich zu verdanken, dass er durch die Docks von Civitavecchia gejagt worden war. Und das Gesetz wollte ihn daran hindern, Emma zu finden.
    Jonathan verzog das Gesicht, als ein unbehagliches Gefühl in ihm aufstieg. Ihm wurde bewusst, dass er in Emma nicht mehr seine Ehefrau sah, nicht einmal mehr eine Freundin. Die Ereignisse der letzten achtundvierzig Stunden warfen ein kaltes, unbarmherziges Licht auf sie. Zum ersten Mal erkannte Jonathan in ihr die Frau, die sie wirklich war. Und das Bild, das er vor sich sah, war alles andere als schmeichelhaft. Dennoch zwang er sich, dieses ernüchternde Bild in allen Einzelheiten auf sich wirken zu lassen.
    Sie war nicht Lara, Eva oder gar Emma.
    Sie war der Feind, und er musste sie aufhalten.
    Aber was dann?
    Auf diese Frage hatte er noch keine Antwort.
    Nach dem nächsten Felsvorsprung steuerte er das Boot in eine kleine, halbmondförmige Bucht. Hier gab es keinen Strand und keinen Kai, nur zerklüftete hohe Felswände, die zwanzig Meter aus dem Meer ragten. An einigen Stellen waren Stufen in den Fels gehauen, die zu privaten Anlegestellen führten. Hoch auf den Klippen standen Häuser mit Meerblick, darunter palastähnliche Prachtbauten, nüchterne, moderne Gebäude und die eine oder andere verkommen wirkende Bruchbude.
    Jonathan steuerte das Boot bis zu einer Felsspalte, wo er vor Anker ging. Er sammelte das Geld ein und entkleidete sich bis auf die Unterhose. Dann band er seine Brieftasche und seine Sachen zu einem Bündel zusammen und schwamm zu einer der privaten Anlegestellen. Die Hand mit dem Bündel hielt er dabei ausgestreckt über dem Kopf, damit die Sachen trocken blieben.
    An der Anlegestelle angekommen, starrte er auf das Haus, das sich ungefähr zwanzig Meter über ihm befand. Es war ein verwitterter Bungalow mit Metallverschlägen vor den Fenstern und einem einsamen Fahnenmast vor der Tür. Das Haus wirkte unbewohnt. Jonathan zog sich an und kletterte die Stufen zu dem Haus hinauf. Im Vorgarten entdeckte er einen leeren Pool. Er umrundete ihn, kletterte über ein niedriges Tor und gelangte zur Garage. Durch

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