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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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frische Luft kommen, erledigt sich das Problem von selbst. Trinken Sie einen Schluck Wasser, dann sind Sie wieder ganz der Alte.« Graves ging vor Jonathan in die Knie und fummelte an der Fußfessel herum. »Strecken Sie ein Bein aus. Egal, welches. Sie können es sich aussuchen.«
    Jonathan stöhnte erneut und streckte das linke Bein vor. Graves streifte die Fußfessel über Jonathans Knöchel, schloss die Fessel und zerrte daran, um sicher zu gehen, dass sie fest saß. Dann kauerte er sich auf die Fersen. »In Ordnung. Machen Sie die Augen auf. Können Sie mich scharf sehen?« Er hob den Kopf, um einen Blick in Jonathans Gesicht zu werfen.
    In diesem Moment trat Jonathan ihm gegen den Unterkiefer. Graves wurde nach hinten geschleudert. Bevor er sich aufrappeln konnte, warf Jonathan sich auf ihn, drückte Graves' Nacken mit dem Unterarm auf den Boden und presste mit den Fingern der rechten Hand kräftig auf die Halsschlagader des Mannes, sodass die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrochen wurde. Graves schlug wild um sich. Er landete einen Treffer auf Jonathans Wange; dann aber sanken seine Arme schlaff zu Boden. Er verdrehte die Augen, stieß einen dumpfen Laut aus versank in Bewusstlosigkeit.
    Der Kampf hatte genau sechs Sekunden gedauert.
    Jonathan lockerte den Druck auf die Arterie erst, als er sicher war, dass Graves sich nicht mehr rühren würde. Dann stand er auf. Aus dem Spiegel an der Wand blickte ihm das Gesicht eines Fremden mit wild funkelnden Augen entgegen, der keuchend nach Atem rang.
    Jonathan ging erneut in die Hocke, suchte in Graves' Jackett nach dem Schlüssel für die Fußfessel und schloss sie auf. Danach nahm er Graves die Brieftasche und das Handy ab. Seine Finger berührten den Griff von Graves' Pistole, aber er beschloss, die Waffe nicht an sich zu nehmen. Unschuldige klauten keine Waffen. Jonathan erhob sich und eilte zur Tür, blickte durch den Spion und entdeckte rechts und links neben der Tür zwei Polizisten in Zivil.
    Plötzlich klingelte Graves' Handy. Jonathan rannte ins Bad und schloss die Tür hinter sich. Auf dem Display stand »Direktor Allem«. Wahrscheinlich handelte es sich um den Direktor des MI5. Jonathan zog ein Handtuch von der Stange und wickelte das Handy darin ein. Nach vier endlos langen Klingeltönen verstummte es. Er eilte zurück zur Eingangstür, doch die Wachposten hatten sich nicht vom Fleck gerührt. Graves lag immer noch regungslos auf dem Boden. Er würde frühestens in drei Minuten, spätestens in zehn Minuten wieder zu sich kommen. Jonathan konnte nichts tun, um die Zeitspanne zu verlängern, es sei denn, er erwürgte Graves. Seine Abneigung gegen den Mann war so groß, dass er diese Möglichkeit einen Augenblick lang ernsthaft erwog.
    Jonathan durchquerte das Zimmer und öffnete die Schiebetüren, die auf den Balkon führten. Er ging zum Balkongeländer und blickte nach unten. Seine Suite war im achten Stock, ungefähr fünfundzwanzig Meter über dem Hoteleingang. Technisch gesehen wäre es kein großes Problem für Jonathan gewesen, über die Balkone in die Tiefe zu klettern. Er war ein erfahrener Bergsteiger. Er war schon an Felswänden geklettert, an denen die Spalten und Griffe kaum fingerbreit gewesen waren. Doch bei seinen Klettertouren war er stets gesichert gewesen. Heute durfte er sich keinen Ausrutscher erlauben.
    Draußen wurde es dämmrig. Der Himmel färbte sich in ein sanftes Violett. Auf der Park Lane schoben die Automassen sich im Schritttempo voran. Unter ihm fuhren kurz hintereinander Taxis und Nobelkarossen vor dem Hoteleingang vor. Auf der Straße und vor dem Hotel wimmelte es von Menschen. Schaut bloß nicht nach oben, beschwor Jonathan die Leute im Stillen.
    Er zog die Windjacke über und verstaute Graves' Brieftasche und das Handy in seinen Taschen. Zum Schluss schob er Graves' Hosenbein hoch und streifte ihm die elektronische Fußfessel über den Knöchel. Den Schlüssel spülte er im Klo hinunter. Dann ging er zurück auf den Balkon und stieg über die Brüstung. Er ging in die Hocke, klammerte sich mit den Fingern am Balkon fest und ließ sich herunter, bis sein Fuß die obere Kante der Markise des Balkons im siebten Stock berührte.
    Von nun an bewegte Jonathan sich schnell und routiniert. Er löste den Griff der einen Hand und tastete mit den Fingern unter dem Stoff nach den Stangen, die das Gerüst für die Markise bildeten. Er streckte sich, schob die Hand unter den Stoff und umklammerte die Längsstange am vorderen Ende der

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