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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Markise. Dann löste er den Griff der anderen Hand und tastete mit ihr ebenfalls nach der Markisenstange. Als er mit allen zehn Fingern die Stange umklammerte, stieß er sich ab und baumelte an der Markise. Sie ächzte, brach unter seinem Gewicht aber nicht ab. Jonathan stellte die Füße auf das schmale Balkongeländer vor dem Zimmer, das unter seinem lag.
    Er starrte durchs Fenster. Im Zimmer war niemand. Er holte tief Luft, kniete sich erneut vor dem Geländer auf den Balkonsims und wiederholte das Ganze, bis er auf dem Balkon im sechsten Stock stand. Der Schweiß tropfte ihm in die Augen und machte seine Handflächen glitschig. Daran waren weder die Hitze noch die körperliche Anstrengung Schuld, sondern die Anspannung: Er durfte sich nicht den kleinsten Fehler erlauben. Jonathan fühlte keinerlei Angst oder Beunruhigung. Die Welt war auf zwei Meter über und unter ihm geschrumpft.
    Strecken. Zupacken. Mit den Beinen freistrampeln, mit den Füßen Halt finden.
    Jonathan richtete alle Energie darauf, seine Bewegungen so zu koordinieren, dass er die Schwerkraft überlistete. Je sicherer er wurde, desto flüssiger kletterte er, bis er schließlich das kiesbedeckte Dach des Eingangsportals erreichte. Er warf einen Blick auf die Uhr: Vier Minuten waren inzwischen verstrichen.
    Er schwang sich seitlich vom Vordach und kam direkt neben einem livrierten Doorman zum Stehen, der vor Schreck zusammenzuckte. Mit vor Anstrengung gerötetem Gesicht klopfte Jonathan ihm freundschaftlich auf die Schulter und sagte: »Ich bin Hotelgast. Könnten Sie mir bitte ein Taxi rufen?«
    »Ah ... gewiss, Sir. Wohin wollen Sie?«
    »Nach Heathrow.«
    Jonathan drückte dem Türsteher eine Zweipfundmünze in die Hand. Der Mann blies auf einer Trillerpfeife und winkte ein Taxi heran, das am Taxistand wartete.
    »Heathrow, Sir?«, fragte der Fahrer.
    »Ich hab's mir anders überlegt«, sagte Jonathan. »Piccadilly Circus. Setzen Sie mich am unteren Ende der Shaftesbury Avenue ab.«
    »Okey-dokey.« Das Taxi setzte sich in Bewegung und bog auf die Park Lane. Als sie etwa einen Kilometer gefahren waren, klingelte Graves' Handy erneut. Dieses Mal nahm Jonathan den Anruf entgegen. »Ja?«
    »Ransom«, sagte Graves mit unterkühlter Stimme. »Sie haben einen gewaltigen Fehler gemacht.«
    »Kann schon sein.«
    »Ich gebe Ihnen noch eine Chance. Kommen Sie auf der Stelle zurück, und wir bleiben im Geschäft. Helfen Sie uns, Ihre Frau zu finden, und wir lassen Sie laufen. Andernfalls kann ich für nichts garantieren.«
    »Und das soll ein Deal sein? Ich hatte nichts mit der Sache zu tun. Was Sie mir anbieten, ist Erpressung.«
    »Sie können es nennen, wie Sie wollen. So ist nun mal die Lage.«
    »Sie haben zugegeben, dass Sie von Division gehört haben. Also wissen Sie auch, dass ich Ihnen die Wahrheit über meine Frau erzählt habe.«
    »Ich habe ein Gerücht gehört. Das ändert aber nichts.«
    »Wer hat Ihnen das Gerücht erzählt? Ein Mann mit Namen Connor? Frank Connor?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Wenn Sie meine Hilfe wollen, sollten Sie sich das noch mal überlegen.«
    Graves sprang sofort auf Jonathans Worte an. »Sie wissen also, wo Ihre Frau ist?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    Stille. »Und ich habe Ihnen bereits die Antwort gegeben. Es war mein Kollege beim FBI. Einen Namen kann ich Ihnen leider nicht nennen, aber Connor war es nicht. Was genau hat Ihre Frau getan?«
    »Der ehemalige Chef von Division war Major General John Austen. Sie kennen seinen Namen vielleicht aus der Zeitung. Der Amerikaner, der vergangenen Februar bei einem Autounfall in der Schweiz ums Leben kam.«
    »Ich kann mich dunkel erinnern. Nicht nur Austen wurde getötet, auch etliche andere Leute von Rang und Namen. Es gab Gerüchte, es könnte ein terroristischer Anschlag gewesen sein.«
    »Es war kein Anschlag und auch kein Autounfall. Austen wollte eine Maschine der El Al abschießen, um einen Krieg im Mittleren Osten anzuzetteln. Emma hat ihn im letzten Moment daran gehindert.«
    »Sie meinen, sie hat ihn getötet.«
    »Ich meine, dass sie fünfhundert Menschen vor dem sicheren Tod gerettet hat.« Jonathan ging nicht weiter auf die Sache ein. Er hatte die Waffe abgefeuert, die Austen getötet hatte. »Durch ihren Einsatz wurde ein Krieg verhindert, aber das interessiert offenbar niemanden mehr. Für die Amerikaner geht es nur darum, dass Emma sich nicht an die Regeln gehalten hat und ihren Vorgesetzten in den Rücken gefallen ist. In Washington will

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