Geteilter Tod - Norman, H: Geteilter Tod - Caged
abgewaschen. Die Küche war so altmodisch und abgewohnt wie jedes andere Zimmer in dem Haus, in dem David seit über fünfunddreißig Jahren wohnte.
»Das ist ein Privileg«, hatte Mildred erklärt, »kein Job.«
»Du brauchst dir keinen Job zu besorgen.«
»Ich muss mir nicht sagen lassen, was ich brauche«, antwortete Mildred spitz. »Das weiß ich selbst.«
David hatte sie gefragt, was ihr vorschwebe.
»Für mich sieht es ganz so aus«, erwiderte sie, »als könntest du eine Haushälterin brauchen.«
Er war schockiert. »Ich dachte, wir sind Freunde.«
»Das hoffe ich doch sehr«, sagte Mildred. »Obwohl mir nicht einleuchtet, was das eine mit dem anderen zu tun hat.«
»Aber es ist doch gut so, wie es ist. Wir versorgen einander und wursteln uns durch, du und ich ... und natürlich Saul, bis er auszieht.«
»Du bist Arzt«, antwortete Mildred. »Ein vielbeschäftigter Mann.«
»Ich praktiziere kaum noch«, entgegnete David. »Und du bist keine Haushälterin.«
»Du weißt doch gar nicht, was ich bin«, sagte Mildred. »Oder was ich gewesen bin.«
»Wie soll ich das auch wissen, wenn du es mir nicht erzählst?«, gab David zurück.
»Wenn die Zeit reif ist, erzähle ich es dir vielleicht.«
»Wenn wir die Vergangenheit mal beiseitelassen«, sagte David, »was würdest du denn gern machen? Außer für einen alten Mann zu kochen und zu putzen, meine ich.«
»So alt bist du nun auch wieder nicht«, meinte Mildred.
»Danke.«
»Dafür bist du ziemlich schlampig. In deinem Büro herrscht das reinste Chaos.«
»Ja. Ständig.«
»Ich will es nicht putzen«, sagte Mildred. »Aber es ist nicht zu übersehen, dass deinem Ablagesystem ein bisschen Organisation guttun würde. Und falls du dir Sorgen über Diskretion machst ... Ich weiß meine Nase aus den Angelegenheiten anderer Leute herauszuhalten.«
»Da habe ich nicht den geringsten Zweifel«, antwortete David.
Mildred hatte ihn gebeten, es sich zu überlegen, und das hatte er getan, denn das Büro zu führen, war Judys Domäne gewesen, bis zu ihrer letzten Erkrankung vor drei Jahren; deshalb hatte David das Gefühl gehabt, als müsse er sich erst in Ruhe mit ihr auseinandersetzen, weil es ihm so vorkam, als habe die Sache den Beigeschmack von Treuebruch. Doch Judy war keineswegs pikiert, und auch Saul hielt es für eine ausgezeichnete Idee.
Also hatte Mildred sich an die Arbeit gemacht.
»Mildred ist ein Wunder«, hatte David eine Woche später Sam erzählt. »Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Energie sie hat. Und sie ist unglaublich klug.«
»Das überrascht mich nicht«, sagte Sam.
Es schien nur logisch, dass Mildred irgendwann auch noch Grace' Büro in ihren Terminplan aufnahm. Dass Grace jemanden brauchte, der ihr half, Ordnung zu halten, als sie nach Joshuas Geburt wieder zu praktizieren anfing, war für sie zu einer Art Schreckgespenst geworden, nachdem ihre Erfahrungen mit ihrer letzten Bürohilfe ein Albtraum gewesen waren. Dann hatte David ihr den Vorschlag unterbreitet, Mildreds Hilfe in Anspruch zu nehmen.
»Es würde deine Probleme lösen«, hatte er ihr erklärt. »Abgesehen davon, dass Mildred über hervorragende organisatorische Fähigkeiten verfügt, könnte sie im Haus auf Joshua aufpassen, während du deine Patienten behandelst.«
»Meinst du denn, der Job käme überhaupt für sie infrage?«
»Sie wollte ihn schon, als ich das erste Mal erwähnte, du könntest Hilfe brauchen.« David schwieg einen Moment. »Obwohl ich glaube«, räumte er dann ein, »dass sie Sorgen hat, die Eltern deiner kleinen Patienten könnten nicht begeistert davon sein, wenn du eine ehemalige Stadtstreicherin einstellst.«
»Mildred war keine Kriminelle«, sagte Grace. »Ich finde, sie könnten sich niemanden wünschen, der ihnen ein besseres Vorbild liefert.«
»Das hört sich ganz danach an, als hätte sie den Job«, frohlockte David.
»Wir sollten es erst mit ihr besprechen«, dämpfte Grace seine Freude. »Und vielleicht sollten wir eine Probezeit vereinbaren, in unser beider Interesse. Und ein Gehalt natürlich.«
»Ich glaube nicht, dass sie Geld von dir nehmen würde«, sagte David.
»Wenn Mildred für mich arbeitet, wird sie auch dafür bezahlt.«
5
Zwei Vertreter der Firma Beatty Management, die man aus ihren jeweiligen samstäglichen Aktivitäten gerissen hatte, fuhren in einem Lexus vor der Oates Gallery vor. Es war kurz nach zwölf Uhr mittags, fast eine Stunde nach dem ungewöhnlich raschen Eintreffen des
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