Geteilter Tod - Norman, H: Geteilter Tod - Caged
der kuppelförmigen Plastikabdeckung gewusst und mit hoher Wahrscheinlichkeit gelogen, als sie behauptet hatte, mitbekommen zu haben, wie einer der Männer von der Spurensicherung darüber gesprochen hatte.
»Als Al und ich ihr zum ersten Mal begegnet sind«, sagte Sam, »hat sie gesagt, sie habe die alte Galerie schon immer unheimlich gefunden.«
»Und jetzt scheint ›unheimlich‹ genau das zu sein, worauf sie abfährt«, erwiderte Beth.
»Wir müssen endlich die Alibis überprüfen«, sagte Sam.
Mildred war seit acht Uhr früh im Haus, hatte erst eine Stunde in Grace' Büro gearbeitet und dann Joshua beaufsichtigt, während Grace ihre beiden Morgenpatienten behandelte. Anschließend erbot Mildred sich, noch länger bei dem Jungen zu bleiben, damit seine Mom ein paar unerlässliche Einkäufe tätigen konnte.
»Bist du absolut sicher, dass das okay ist?«, vergewisserte Grace sich noch einmal, bevor sie ging.
»Es gibt keinen Ort, an dem ich lieber wäre«, antwortete Mildred. »Und es gibt kein Kind, auf das ich lieber aufpassen würde.«
Eine Stunde später hatte Grace sämtliche Einkäufe eingeladen und fuhr mit ihrem Toyota und einem Blumenstrauß kurz beim Opera Café vorbei, um sich noch einmal für das Abendessen in der vergangenen Woche zu bedanken. Cathy war gekommen, um die Mittagsschicht zu übernehmen, denn Simone machte sich gerade fertig, zum Pflegeheim ihrer Mutter zu fahren. Sie sah müde und erschöpft aus, obwohl der Tag noch jung war.
»Dürfte ich dich hinfahren?«, fragte Grace.
»Das ist sehr nett von dir«, antwortete Simone, »aber es ist nicht nötig.«
»Aber ist dein Auto nicht immer noch in der Werkstatt?«, warf Cathy ein. Sie wandte sich Grace zu und fügte hinzu: »Simone ist die letzten Tage gelaufen oder hat den Bus genommen, und sie bekommt wieder einen ihrer Migräneanfälle, also hätte sie das liebend gerne, wenn jemand sie fahren würde.«
»Das ist doch ein riesiger Umweg für deine Mutter«, schimpfte Simone.
»Du hast gesagt, das Heim wäre gleich hinter dem Indian Creek Drive«, widersprach Cathy. »Nur ein paar Straßen weiter südlich.«
»Deine Tochter mischt sich zusehends mehr in alles ein«, meinte Simone.
Grace lächelte. »Würdest du mir bitte erlauben, dich hinzufahren? Es wäre mir ein Vergnügen. Und offen gestanden ist es das Wenigste, was ich tun kann.«
Als sie vor dem James-Burridge-Pflegeheim auf der Dreiunddreißigsten Straße ankamen, bestand Grace darauf, Simone durch die mit spanischen Fliesen gekachelte Lobby zum Empfang zu begleiten, um sicherzugehen, dass man ihr nach ihrem Besuch ein Taxi besorgen würde.
»Es wird mir ein Vergnügen sein, Miss Regan zu helfen«, erklärte die Frau am Empfang, auf deren Namensschild Alice stand. »Sie ist eine unserer ganz besonderen Damen.«
»Aber nein, Alice«, meinte Simone.
Die ältere Frau sprach trotzdem weiter. »Sie verbringt immer noch Zeit mit ihrer Mutter. Andere Töchter würden sich schon lange nicht mehr die Mühe machen, weil es sehr unbefriedigend sein kann, so traurig es ist, das sagen zu müssen.«
»Das finde ich nicht.« Simone warf Grace einen erschöpften Blick zu.
»Aber genau deshalb wirken sich Ihre Besuche bei Ihrer Mom so positiv aus«, meinte die Frau. »Selbst wenn es nur für einen Moment ist. Deshalb finde ich, dass Sie ein ganz besonderer Mensch sind.«
Simone brachte mühsam ein Lächeln zustande. »Das ist mir ja fast schon peinlich.«
»Ehre, wem Ehre gebührt«, sagte Grace.
Nachdem Simones Taxifahrt nach Hause organisiert war, begleitete sie Grace zurück zum Haupteingang. »Weißt du eigentlich, Grace, dass du dich glücklich preisen kannst, eine Tochter wie Cathy zu haben?«
»Ja, das weiß ich«, erwiderte Grace.
»Und ich will, dass du weißt, dass Matt und ich es so gemeint haben, wie wir es gesagt haben, als wir Cathy an dem Abend geraten haben, sie soll weiterziehen. Sie muss sich frei fühlen, um ihren Weg zu finden. Um uns darf sie sich dabei keine Gedanken machen.«
Grace blickte noch einmal zurück zum Empfangsbereich in der Lobby. »Alice hat recht. Du bist ein ganz besonderer Mensch, Simone. Und Matt natürlich auch.«
So zartgrün wie in diesem Moment waren Simones Augen bisher noch nie gewesen. »Die Wahrheit ist, dass wir sie schrecklich vermissen werden, wenn sie geht, und ich bezweifle auch, dass wir jemals eine andere Cathy finden. Aber wir werden jemanden finden, der uns helfen kann. Und wenn meine Mutter irgendwann stirbt, werde
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