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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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als zuvor. Vor Monaten war sie mit Perry in einen Sturm geraten. Nie würde sie das Brennen auf ihrer Haut vergessen, als die Äthertrichter ganz in der Nähe eingeschlagen waren, oder den Augenblick, in dem ihr Körper sich verkrampft hatte.
    »River!«, rief jemand in der Ferne. »Wo bist du?«
    Erneut hielt Aria inne und horchte durch den prasselnden Regen auf Geräusche. Da waren noch mehr Stimmen. Alle schrien das Gleiche, und die Not in diesen Schreien traf sie spitz in den Ohren. Aria ballte die klammen Hände zu Fäusten. Sollte sie versuchen zu helfen? Aber wer war sie denn schon? Die Tiden hassten sie. Doch dann vernahm sie eine neue Stimme, diesmal ganz in der Nähe, die so verzweifelt und ängstlich klang, dass sie sich in Bewegung setzte, ohne lange nachzudenken. Aria wusste, wie sich die Suche nach jemandem, der verschwunden war, anfühlte. Auch wenn die Tiden ihre Hilfe vielleicht nicht akzeptieren würden, sie musste es trotzdem versuchen.
    Sie verließ den Pfad und lief durch schweren, rutschigen Schlamm, ließ sich von Geräuschen zu einem Dutzend Menschen leiten, die den Wald durchkämmten. Abrupt blieb Aria stehen, als sie Brooke erkannte.
    »Was hast du hier verloren, Maulwurf?« Brooke war vollkommen durchnässt und erschien dadurch deutlich unbarmherziger als sonst. Die blonden Haare klebten dunkel an ihrem Kopf, ihre Augen wirkten so kalt wie Glasmurmeln. »
Du
hast ihn weggelockt, stimmt’s? Du Kidnapperin!«
    Aria schüttelte den Kopf. »Nein. Warum sollte ich so was tun?« Ihr Blick wanderte zu der Waffe über Brookes Schulter.
    Molly, die ältere Frau, die Aria im Kochhaus kennengelernt hatte, kam herbeigeeilt. »Du verschwendest Zeit, Brooke. Such weiter!« Sie wartete, bis Brooke weiterstapfte. Dann fasste sie Aria am Arm, zog sie zu sich heran und sprach leise auf sie ein, während ihr der Regen über die runden Wangen lief. »Wir haben es nicht kommen sehen. Niemand von uns hat mit einem Sturm gerechnet.«
    »Wer wird denn vermisst?«, fragte Aria.
    »Mein Enkel. Er ist gerade erst zwei geworden. Sein Name ist River.«
    Aria nickte. »Ich werde ihn finden.«
    Während die anderen sich vom Pfad fortbewegten und tiefer in den Wald vordrangen, riet Arias Bauchgefühl ihr, in der Nähe zu suchen. Sie hielt sich dicht beim Pfad und schlich sich langsam vorwärts. Und statt nach dem Jungen zu rufen, horchte sie durch den Regen und den Wind angestrengt auf jedes noch so kleine Geräusch. Aber außer ihren patschenden Schritten im Matsch und dem Rauschen des Wassers, das den Hang hinabströmte, hörte sie nichts. Das Kreischen des Äthers wurde immer lauter, und ihr dröhnte der Kopf, denn der Lärm des Sturms war für ihre Ohren nahezu unerträglich. Doch plötzlich ließ ein Summen sie innehalten.
    Aria steuerte darauf zu und rutschte den Hang zu einem Busch hinunter. Sie hockte sich davor und schob langsam die Zweige auseinander, sah jedoch nichts als Blätter. Plötzlich spürte sie ein Kribbeln im Nacken. Blitzschnell wirbelte sie herum und zog ihre Messer, aber außer den Bäumen, die der Wind peitschte, war nichts zu sehen.
    »Ganz ruhig«, ermahnte sie sich und steckte die Messer wieder weg.
    Erneut hörte sie das Summen, zwar schwach, aber unverkennbar. Rasch ging sie um den Busch herum und spähte hinein.
    Kaum einen halben Meter entfernt blinzelte sie ein Augenpaar an. Der Junge wirkte so klein, wie er da auf seinen Knien hockte. Er hielt sich die Ohren zu und summte eine Melodie, ganz in seine eigene Welt versunken. Aria sah, dass er die gleichen runden Backen und honigfarbenen Augen wie seine Großmutter hatte. Sie warf einen Blick über die Schulter. Keine zwanzig Schritte entfernt verlief der Pfad, der ins Dorf führte. Der Junge hatte sich nicht verirrt – er war nur vollkommen verängstigt.
    »Hi, River«, sagte sie lächelnd. »Ich heiße Aria. Ich wette, du bist auch ein Horcher, genau wie ich. Das Singen hilft gegen den Lärm des Äthers, stimmt’s?«
    Der Junge starrte sie an und summte weiter.
    »Das ist ein schönes Lied. Es ist das Lied der Jäger, oder?«, hakte Aria nach, obwohl sie es sofort wiedererkannte: Es handelte sich um Perrys Lieblingslied. Mit viel Überredungskunst hatte sie ihn im Herbst dazu gebracht, es ihr vorzusingen … mit vor Scham hochrotem Kopf.
    River verstummte. Seine Unterlippe zitterte, als würde er jeden Augenblick in Tränen ausbrechen.
    »Mir tun auch jedes Mal die Ohren weh, wenn es so laut ist.« Aria erinnerte sich an die

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