Getrieben - Durch ewige Nacht
einem Traum – oder einem Albtraum. Und plötzlich erinnerte sie sich wieder: Sie hatte ihn während der Tätowierungszeremonie kurz gesehen. Das Klatschmaul, das in der Nacht im Dorf gewesen war, als man sie vergiftet und Perry einen Teil seines Stammes verloren hatte.
In dem Moment beherrschte Aria nur noch ein einziger Gedanke: Dieser Mann wusste, dass sie eine Siedlerin war.
Als Sable sie sah, schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. Gelassen, ja fast desinteressiert warf er einen kurzen Blick auf Liv und Roar; dann wandte er sich Aria zu.
»Entschuldige, wenn ich dir den heutigen Nachmittag verderbe, Aria«, meinte er, während er auf sie zuging, »aber der gute Shade hat mir gerade ein paar interessante Dinge über dich erzählt. Offenbar hatte ich doch recht. Du bist tatsächlich einzigartig.«
Arias Herz hämmerte in ihrer Brust, als Sable vor ihr stehen blieb, und es gelang ihr nicht, den Blick von seinen durchdringenden, blauen Augen abzuwenden. Dann fuhr er mit einem so schneidenden Ton in der Stimme fort, dass es ihr eiskalt den Rücken hinablief: »Bist du hergekommen, um mein Wissen zu stehlen, Siedlerin?«
Aria sah nur eine Möglichkeit, nur eine einzige Chance. Sie musste sie ergreifen.
»Nein«, erwiderte sie. »Ich bin gekommen, um dir einen Handel vorzuschlagen.«
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Peregrine
| Kapitel Neunundzwanzig
»Alles voller Sand. Ich hasse das«, sagte Kirra.
Perry beobachtete, wie Kirra sich Sand von den Händen rieb, während er einen Schluck aus seinem Trinkschlauch nahm. »Du hasst
Sand
? Das habe ich ja noch nie gehört.«
»Du hältst das für lächerlich.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Eher für unmöglich … Als würde man Bäume hassen.«
Kirra lächelte. »Bäume sind mir egal.«
Ihre Pferde grasten in den Dünen.
Den Großteil des Tages hatten sie mit Marron verbracht und Kirras Leuten verschiedene Aufgaben zugeteilt. Dann hatte Perry ihr die nördlichen Grenzen seines Herrschaftsgebiets gezeigt – er konnte ihre Männer auch gut als Wachen einsetzen. Nun legten sie eine kurze Rast an der Küste ein, bevor sie ins Dorf zurückkehren würden.
Eigentlich mussten sie sich beeilen – ein Sturm zog von Norden her auf –, aber Perry wollte nur noch ein paar Minuten für sich, ein paar Minuten, in denen er kein Kriegsherr sein musste.
Kirra war an diesem Vormittag viel umgänglicher gewesen. Und da es jede Menge Arbeit gab, hatte sie wahrscheinlich recht: Sie sollten wirklich versuchen, miteinander auszukommen. Perry beschloss, ihr eine Chance zu geben.
Sie lehnte sich zurück und stützte sich auf die Ellbogen. »Da, wo ich herkomme, gibt es Seen. Die sind ruhiger … und sauberer. Und ohne das ganze Salz in der Luft kann man auch leichter wittern.«
Perry sah das genau umgekehrt: Es gefiel ihm, dass Düfte mit der feuchten Meeresluft herangetragen wurden. Aber schließlich kannte er auch nichts anderes. »Warum bist du fortgegangen?«
»Wir wurden von einem anderen Stamm vertrieben, als ich noch klein war. Ich wuchs im Grenzland auf, bis die Hörner uns bei sich aufnahmen. Sable ist gut zu mir gewesen. Er beauftragt mich gern mit solchen Missionen. Ich beklage mich nicht. Ich bin lieber unterwegs, als in Rim zu hocken.« Sie lächelte. »Aber genug von mir.« Ihr Blick wanderte zu seiner Hand. »Ich habe mich gefragt, woher du diese Narben hast.«
Perry spreizte die Finger. »Verbrennung. Hab ich mir letztes Jahr zugezogen.«
»Sieht aus, als wäre es ziemlich schlimm gewesen.«
»Ja, das war es auch.« Er hatte keine Lust, über seine Hand zu sprechen. Cinder war für diese Verbrennung verantwortlich. Aria hatte sie verbunden. Aber weder das eine noch das andere ging Kirra etwas an. Ein unbehagliches Schweigen machte sich zwischen ihnen breit. Perry schaute aufs Meer hinaus, wo der Äther am Horizont aufblitzte und wo inzwischen ständig Stürme tobten.
»Ich wusste nichts von dem Mädchen, der Siedlerin, bis ich hierherkam«, sagte Kirra nach einer Weile.
Perry widerstand dem Drang, erneut das Thema zu wechseln. »Dann gibt es also tatsächlich etwas, das du noch nicht über mich gehört hattest.«
Kirra legte den Kopf auf die Seite, ahmte seine Geste nach. »Ich glaube, ich habe sie nur knapp verpasst«, sagte sie. »Was wäre, wenn wir dieselbe Person wären? Vielleicht bin ich ja sie und habe mich nur getarnt.«
Das überraschte ihn, und er lachte. »Bist du nicht.«
»Nein? Ich wette, ich kenne dich besser, als sie dich kennt.«
»Das glaub ich
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