Getrieben: Thriller (German Edition)
war in tiefe Dunkelheit gehüllt, denn hier in Virginia war es gerade mal zwei Uhr morgens.
Connor hätte allen Grund gehabt, vollkommen fertig zu sein. Seit sechsunddreißig Stunden war er nun schon auf den Beinen, und er hatte in den letzten zwei Wochen keine Nacht mehr als vier Stunden am Stück geschlafen. Doch er war hellwach und so voller Tatendrang wie ein Kriminalbeamter auf der Jagd nach seinem ersten Verbrecher. Allerdings war es bei ihm keine Nervosität, die ihn gleich nach der Landung die Treppen hinunter zu seinem Wagen eilen ließ, ohne sich zuvor beim Piloten zu bedanken. Was Connor antrieb, war das unangenehme Gefühl, dass er seiner Verantwortung immer weniger gerecht wurde, weil er inzwischen so zynisch und abgestumpft war, dass er dadurch seine Mitarbeiter in Gefahr brachte.
Seine Entscheidung, Ransom zu Balfour zu schicken, auch wenn dieser als Agent vielleicht noch nicht so weit war, hielt er nach wie vor für richtig. Eine Alternative dazu gab es nicht. Der Job musste gemacht werden, und Ransom war der einzige Kandidat, der dafür in Frage kam. Connor räumte ihm kaum mehr als eine zwanzigprozentige Chance ein, tatsächlich auf Informationen über die Bombe, die Emma vom Berg geholt hatte, und den mysteriösen Käufer zu stoßen. In Connors Geschäft bedeuteten zwanzig Prozent, auf einen Verlierer zu setzen. Doch was ihm besonders zu schaffen machte, war die Tatsache, dass er seinen neuen Agenten schon jetzt mehr oder weniger abgeschrieben hatte. Jonathan Ransom war schließlich noch nicht tot und verdiente es, dass Connor ihm das Unmögliche zutraute.
Nachdem er sich hinter das Steuer seines Volvo gesetzt hatte, lenkte er den Wagen auf die Autobahn in Richtung Washington, D. C. Um diese Uhrzeit waren nur wenige Fahrzeuge unterwegs. Connor wählte eine Nummer auf seinem Autotelefon.
»Sie sprechen mit dem wachhabenden Beamten am Empfang. Was kann ich für Sie tun?«, meldete sich eine männliche Stimme aus dem NGA-Gebäude.
»Verbinden Sie mich bitte mit Malloy. Richten Sie ihm aus, dass Frank Connor in der Leitung ist.«
»Einen Moment bitte.«
Connor trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad und dachte darüber nach, wie er Malloy dazu bringen konnte, ihm noch einmal zu helfen. Er wusste nur zu gut, dass zwei Gefallen einer zu viel waren. Aber wenn er Malloy überreden könnte, Balfours Anwesen mit einem Satelliten zu beobachten, könnte er vielleicht sogar an eine Aufnahme von dem Sprengkopf kommen, sobald Balfour ihn von seinem Anwesen abtransportieren lassen würde. Ein solches Bild würde als Beweis für die Jungs da oben reichen, sie würden innerhalb von zehn Minuten alle Hebel in Bewegung setzen. Sobald das Bild im CENTCOM auf dem Schreibtisch des Oberbefehlshabers landete, würde niemand mehr warten, bis der Verteidigungsminister oder das Lagezentrum des Weißen Hauses die offizielle Genehmigung für weitere Aktionen erteilt hatten.
Bei der letzten Zählung hatte Pakistan über siebzig nukleare Marschflugkörper besessen, und der Gedanke, dass einer von ihnen in falsche Hände fallen könnte, beschäftigte die Militärstrategen nahezu unablässig. Eine abgängige Atombombe auf pakistanischem Territorium war ein Szenario, das schon mehrere hundert Male durchgespielt worden war. Dass ein schneller Eingreiftrupp der Delta Force für einen solchen Ernstfall dauerhaft in einem pakistanischen Militärstützpunkt in Rāwalpindi stationiert worden war, keine dreißig Minuten von Balfours Anwesen entfernt, war kein streng gehütetes Geheimnis.
»Mr. Connor? Mr. Malloy ist leider nicht im Haus. Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«
»Er sagte aber, dass er heute Abend Dienst hat.«
»Das stimmt auch, aber er ist nicht aufgetaucht. Gestern hat er auch schon gefehlt. Es muss ihn wirklich heftig erwischt haben, denn er hat noch nicht mal angerufen, um sich krank zu melden. Sind Sie sicher, dass ich Ihnen nicht vielleicht doch helfen kann?«
»Danke für das Angebot«, sagte Connor, »aber ich fürchte, nein. Es geht um etwas Persönliches. Ich versuche es mal bei ihm zu Hause.«
Connor riss das Lenkrad herum und wechselte auf die rechte Fahrspur. An der nächsten Ausfahrt bog er auf den George Washington Memorial Parkway ab. Da er nachtblind war, musste er sich sehr auf das Fahren konzentrieren. Trotzdem hätte ihm die nagelneue Limousine, die ihm seit dem Flughafen in sicherem Abstand unübersehbar folgte und in diesem Moment sein waghalsiges Fahrmanöver nachmachte,
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