Getrieben: Thriller (German Edition)
hervor und warf einen Blick um die Ecke, um ganz sicherzugehen, dass ihnen niemand mehr folgte. »Ich habe dir doch gesagt, dass sie nicht auf uns schießen werden.«
Jonathan stützte sich keuchend auf die Knie. »Wie konntest du das wissen?«
»Das hier ist Islamabad, die Hauptstadt von Pakistan. Wenn ein amerikanischer Soldat es wagen würde, hier herumzuballern, hätte er innerhalb von einer Minute die halbe Bevölkerung am Hals, und das Ganze würde sich in nur einer Stunde zu einem handfesten diplomatischen Skandal ausweiten. Offiziell dürften amerikanische Soldaten gar nicht mehr auf pakistanischem Hoheitsgebiet im Einsatz sein. Die Durchsuchung am Flughafen … daran waren offiziell gar keine Amerikaner beteiligt. Laut Bericht waren dort nur Soldaten der pakistanischen Armee.«
»Ruf Connor an. Sofort. Wir müssen ihm sagen, was passiert ist. Er muss wissen, dass Haq mit dem Sprengkopf entkommen ist.«
Danni presste die Lippen fest zusammen, nickte kurz und wählte Connors Nummer. Am anderen Ende meldete sich sofort die Mailbox, und Danni legte wieder auf. »Er geht nicht ans Telefon.«
Jonathan richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Hast du eine Ahnung, wo wir sind?«
»Was weiß ich«, erwiderte Danni. »Islamabad gehört nicht gerade zu meinen bevorzugten Urlaubszielen.«
»Na großartig. Dann haben wir uns also hoffnungslos verlaufen.«
Entschlossen setzte Danni sich wieder in Bewegung. »Aber ich weiß, wohin wir jetzt gehen.«
70.
Das Haus gehörte einem reichen jüdischen Kaufmann englischer Herkunft, dessen Familie seit der britischen Kolonialherrschaft in Indien gelebt hatte und vor einiger Zeit nach Pakistan umgesiedelt war. Das herrschaftliche Haus im Kolonialstil zeugte noch vom längst vergangenen Glanz des untergegangenen Empires. Vom mit Marmor ausgestatteten Foyer bis zum mit Teakholz getäfelten Arbeitszimmer, überall fanden sich gebogene Stoßzähne von Elefanten, kunstvoll verzierte kupferne Teekessel und sogar eine kleine Replik des Zamzama, der »feuerspuckenden« Kanone aus Rudyard Kiplings berühmtem Roman Kim . Aufgrund seiner Stellung in der Geschäftswelt verfügte der Kaufmann über Beziehungen, die bis in die höchsten pakistanischen Regierungskreise reichten, und war in so manche ökonomische Regierungsgeheimnisse eingeweiht. Wie schon sein Vater leitete er die Informationen, die er für interessant und wichtig genug hielt, an das Land seiner Vorfahren weiter. Der Mossad bezeichnete Männer wie ihn als Sayyan , was so viel hieß wie Freund.
Der Kaufmann, ein kleiner Mann mit grauem Bart, führte Jonathan und Danni in sein Arbeitszimmer und ließ sie, ohne jedes weitere Wort, dort allein.
Die beiden nahmen dicht nebeneinander am Schreibtisch Platz, und Jonathan begann sofort damit, alles aufzuschreiben, was er sich bei seinem nächtlichen Besuch in Balfours Büro eingeprägt hatte. An einige Zahlen und Informationen erinnerte er sich sofort, andere wollten ihm partout nicht einfallen, fast so wie bei einem Traum, an dessen Einzelheiten man sich am Morgen danach beim besten Willen nicht entsinnen kann. Eine Reihe sechsstelliger, alphanumerischer Sequenzen, die Danni als SWIFT-Codes für den Geldtransfer zwischen internationalen Banken identifizierte, notierte er, ohne zu zögern. Längere Zahlenreihen bereiteten ihm deutlich mehr Probleme und ließen deshalb keine zuverlässige Deutung zu. Nach einer Viertelstunde legte Jonathan den Stift beiseite.
»Das ist alles«, sagte er. »Mehr fällt mir nicht ein.«
Zu seiner Überraschung versuchte Danni dieses Mal nicht, ihm noch mehr Informationen zu entlocken. »Das reicht fürs Erste.«
Außer den SWIFT-Codes, die Danni auf ein leeres Blatt Papier schrieb, das sie dann sorgfältig zusammenfaltete und in ihrer Brusttasche verstaute, waren noch einige Kürzel und Zahlen auffällig, die vielversprechend aussahen. Darunter eine Telefonnummer mit afghanischer Vorwahl, neben der die Buchstaben MH vermerkt waren.
»MH steht wahrscheinlich für Massoud Haq«, vermutete Jonathan.
Danni war derselben Ansicht und wollte die Nummer an die Technikabteilung des Instituts, wie der Mossad intern genannt wurde, weiterleiten. »Mit etwas Zeit und Glück können unsere Techniker mithilfe dieser Nummer alle ab- und eingegangenen Anrufe zurückverfolgen und herausfinden, wer Massoud Haqs Partner sind.«
»Wie lange wird das dauern?«, wollte Jonathan wissen.
»Gute Frage«, erwiderte Danni ohne große Hoffnung.
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