Getrieben: Thriller (German Edition)
sowohl Sinn als auch Ziel vor.
Emma verließ die Autobahn und bog auf die östliche Zufahrt zur Freihandelszone ab. Vor einer Kontrollstelle hielt sie an. Ein hoher Zaun mit Stacheldraht versperrte ihr die Durchfahrt. Ein Wachmann in Uniform musterte sie prüfend, erkundigte sich aber weder nach ihrem Namen noch nach einem Ausweis. Ihr Besuch war schon im Vorfeld angekündigt worden. »Fahren Sie geradeaus«, sagte der Wachmann. »Nach zwei Kilometern erreichen Sie Lagerhalle 7. Dort werden Sie bereits erwartet.«
Ratternd öffnete sich der Zaun, und Emma lenkte den Wagen auf das Gelände. Sie kam an einer Reihe Lagerhallen vorbei. Jede war fünf Stockwerke hoch und zwei Blocks lang. Selbst zu dieser späten Stunde herrschte überall auf dem Gelände noch reger Betrieb: Lkws luden oder löschten ihre Ladung, Gabelstapler fuhren hin und her, und Kräne hievten Container von Güterzügen auf Tieflader.
Schließlich tauchte Lagerhalle 7 vor Emma auf. Wieder versperrte ihr ein Sicherheitszaun den Weg zur Halle. Als sie jedoch darauf zufuhr, öffnete sich das Tor wie von Zauberhand. Einige Meter dahinter parkte ein Streifenwagen mit blinkenden Lichtern am Straßenrand. Der Fahrer streckte eine Hand aus dem Fenster und gab Emma zu verstehen, dass sie ihm folgen solle.
Über eine Strecke von zwei Kilometern folgte Emma dem Streifenwagen über einen weitläufigen asphaltierten Platz bis zu einem kleineren Hangar am äußersten Ende der Freihandelszone. Die gewaltigen Tore des Hangars standen offen, und an der Decke brannten helle Lampen. Mit den Augen suchte Emma das Gebäude ab. Einen Moment lang glaubte sie, eine dunkle Gestalt auf dem Dach zu erkennen, aber als sie genauer hinsah, war sie schon wieder verschwunden.
Sie entdeckte Balfour, der allein neben seinem Bentley Mulsanne Turbo stand. Seine Entourage war auf einen einzigen Mann geschrumpft, einen knapp zwei Meter großen Sikh, den Emma unter dem Namen Mr. Singh kannte.
Auf dem Gelände waren aber außer ihnen noch etwa ein Dutzend Polizisten anwesend, die über Balfours Wohlergehen wachten. Sie befanden sich im Hoheitsgebiet des Prinzen, der für die Sicherheit seiner Gäste garantierte.
Emma stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen. Ein Polizist durchsuchte sie und ließ sie danach passieren.
»Ah, Miss Antonowa«, begrüßte Balfour Emma wie ein Gastgeber auf einer Cocktail-Party. »Sie haben also hergefunden.«
»Wo ist der Prinz?«, frage Emma.
»Wird jede Minute hier eintreffen. Wo ist das Flugzeug mit der Lieferung?«
»Es wird pünktlich landen.«
»Dann warten wir also«, sagte Balfour.
»Etwas anderes dürfte uns wohl auch kaum übrig bleiben«, konterte Emma. »Ich habe Sie noch nie ohne Ihr Wolfsrudel getroffen. Fühlen Sie sich nicht ziemlich nackt und schutzlos?«
»Ich habe doch Mr. Singh bei mir. Außerdem haben der Prinz und ich seit Langem ein sehr vertrauensvolles Verhältnis.«
Emma zog eine Augenbraue hoch. Von solchen vertrauensvollen Beziehungen hielt sie nicht viel.
»Dazu kommt noch«, sagte Balfour, »dass ich etwas habe, woran der Prinz sehr interessiert ist.«
»Ich war davon ausgegangen, dass ich für die Ware zuständig bin.«
»Nicht Ihre Ware«, sagte Balfour. »Das sind nur Waffen. Spielzeug. Ich spreche von etwas ganz anderem. Etwas viel Interessanterem.«
»Natürlich tun Sie das«, erwiderte Emma. Doch anstatt weiter nachzubohren und sich ihre berufsbedingte Neugier anmerken zu lassen, verließ sie den Hangar und blickte hinauf in den schwarzen Nachthimmel. Zahllose startende Flugzeuge sorgten noch immer für regen Betrieb.
»Alles meine«, bemerkte Balfour, der ihr gefolgt war. »Frachtmaschinen auf dem Weg in den Irak. Acht Jahre lang haben die Amis alle erdenklichen Güter dorthin verfrachtet. Jetzt wollen sie alles in nur achtzehn Monaten wieder ausfliegen lassen. Ich bin natürlich gerne bereit, ihnen dabei behilflich zu sein.«
Aus östlicher Richtung näherte sich ein Flugzeug im Landeanflug. Emma warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war genau 11.58 Uhr. Die Tupolew aus Teheran war pünktlich.
»Ist das unsere Lieferung?«, fragte Balfour.
»Die Zeitvorgabe des Prinzen war Mitternacht. Nicht nur die Schweizer sind pünktlich.«
»Man kann sich also auf Sie verlassen?«, fragte Balfour mit verschwörerischem Unterton.
»Habe ich Sie schon einmal enttäuscht?«
Balfour setzte ein verschlagenes Grinsen auf. »Bislang nicht. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass ich Ihnen auch trauen kann.«
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