Getrieben: Thriller (German Edition)
Norden entfernte. Ein Amateur, dachte er finster. Er hatte einen blutigen Amateur ohne die geringste Ausbildung rekrutiert, um den Job eines Profis zu Ende zu bringen. Seine Gedanken kreisten um Balfour und dessen Leibwächter, allesamt knallharte Kriminelle. Auf einen von ihnen traf das ganz besonders zu, einen ein Meter sechsundneunzig großen Sikh namens Mr. Singh, der für Balfour die Drecksarbeit erledigte. Ransom würde in ein Nest voller Vipern treten. Connor rührte sich nicht von der Stelle, bis das Flugzeug nur noch ein grauer Punkt am Horizont war. Kurz darauf verschwand es endgültig aus seinem Blickfeld.
Connor machte auf dem Absatz kehrt und ging entschlossenen Schrittes zurück zur Insel. Er musste sich um seinen eigenen Rückflug kümmern und war weiß Gott nicht in der gesundheitlichen Verfassung, sich wie ein tollkühner Draufgänger auf dem Rücksitz eines Kampfjets einpferchen zu lassen. Ein Hubschrauber bis zum nächsten Flughafen würde es auch tun. An der Luke wandte Connor sich noch einmal um und warf einen letzten Blick nach oben in die Richtung, wo er den Kampfjet zuletzt am Himmel gesehen hatte.
»Viel Glück«, murmelte er.
16.
Um die Mittagszeit war der Verkehr auf den Straßen Islamabads so chaotisch wie immer. Autos, Kleintransporter, Lastwagen, Schwerlaster, Motorräder, Fahrräder, Tuk-Tuks und Rikschas drängelten sich auf den breiten, gut ausgebauten Boulevards rund um das Regierungsviertel und kämpften verbissen um jeden Meter. Ein Konvoi aus weißen Range Rovers löste sich vor dem Kolonialgebäude vom Straßenrand und reihte sich in die Schlange in Richtung Kitchener Road ein.
»Wo bleibt unsere Eskorte?«, fragte Lord Balfour, während er einen Blick über die Schulter warf und nach den ISI-Agenten Ausschau hielt, die ihn seit zwei Monaten auf Schritt und Tritt begleiteten.
»Ich habe sie den ganzen Tag über noch nicht gesehen.« Aus dem Rückspiegel blickte Balfour das grinsende Gesicht des Fahrers entgegen. »Dann sind wir ab sofort wohl wieder in Sicherheit, Boss. Die Sache mit den Verfolgern dürfte sich damit erledigt haben.«
Balfour erwiderte nichts, obwohl er genau wusste, dass die Sache alles andere als erledigt war, im Gegenteil. Er war in etwa so sicher wie ein blutender Fisch im Haifischbecken.
»Wie ist denn Ihr Treffen mit dem Anwalt gelaufen?«, erkundigte sich der Fahrer, ein junger Mann, den Balfour von der Straße geholt und selbst ausgebildet hatte. »Gut, nehme ich an.«
»Alles in schönster Ordnung«, antwortete Balfour mit gezwungener Heiterkeit. »Sei so nett und lass uns auf dem schnellsten Wege nach Hause fahren, okay?«
»In Ordnung, Sir.« Der Fahrer grinste breit und presste die Hand auf die Hupe, um zu beweisen, dass er es ernst meinte.
Lord Balfour lehnte sich zurück und ging in Gedanken das Treffen mit seinem Anwalt noch einmal Punkt für Punkt durch. Das Lächeln in seinem Gesicht war wie weggeblasen.
»Die indische Polizei hat den Kollegen in Pakistan Beweise für Ihre Beteiligung an dem Anschlag geliefert«, hatte ihm der Anwalt in nervösem Ton eröffnet, sobald Balfour Platz genommen hatte. »Auf zweien der Maschinengewehre, die nach dem Terroranschlag in Mumbai sichergestellt wurden, fanden sich Seriennummern, die laut eines Schiffsmanifests aus einer Waffenlieferung stammen, die einen Monat zuvor durch Ihre Lagerhallen gegangen ist.«
»Wie zum Teufel sind die Inder denn an diese Information gekommen?«
»Sie besitzen eine Kopie der Liste.«
»Das ist völlig unmöglich«, empörte sich Balfour. Er musste sich beherrschen, um nicht noch hinzuzufügen, dass nur er allein im Besitz dieser Versandliste war. »Außerdem können die MGs in der Zwischenzeit mehrmals den Besitzer gewechselt haben. In einem Monat kann viel passieren.«
»Das ist eher unwahrscheinlich«, widersprach der Anwalt. »Sie haben schließlich einen eindeutigen Ruf.«
Balfour wusste, dass es sinnlos war zu protestieren. Es war ein offenes Geheimnis, wie wenig er von der Regierung seines Heimatlandes hielt. Die Radikalen mit Waffen auszustatten und sie diskret auf die Idee mit dem Anschlag in seiner Heimat zu stoßen hatte ihm fast so etwas wie persönliche Genugtuung verschafft. Damit, dass der Anschlag so erfolgreich sein würde, hatte er allerdings nicht gerechnet. Hundertachtzig Tote und eine noch größere Anzahl von Schwerverletzten. Drei Tage lang war Mumbai oder Bombay, wie Balfour und alle, die jemals dort gelebt hatten, die Stadt immer noch
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