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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Schneidgut, deutete auf Mort und tippte sich kurz an die Stirn.
    Tods Lehrling schnitt eine finstere Miene, bedachte Keli mit einem aufmunternden Lächeln und verließ das Zimmer.
    »Er hätte wenigstens die Tür öffnen können«, maulte die Prinzessin.
    »Ich glaube, er war viel zu verlegen, um daran zu denken«, überlegte Schneidgut laut. »Irgendwann erlebt jeder so etwas.«
    »Du meinst, irgendwann gehen wir alle durch geschlossene Türen?«
    »Im übertragenen Sinn. Meistens begnügen wir uns damit, in ein Fettnäpfchen zu treten.«
    »Ich werde jetzt schlafen«, stellte Keli fest. »Selbst Tote brauchen Ruhe. Hör endlich auf, an der Armbrust herumzufummeln, Schneidgut! Ich bezweifle, ob es sich für einen Zauberer gehört, allein in einem Damenzimmer zu sein.«
    »Hmm? Ich bin doch gar nicht allein, oder? Du bist ebenfalls hier, stimmt's?«
    »Eben«, bestätigte Keli. »Genau darum geht es, nicht wahr?«
    »Oh. Ja. Ich verstehe. Äh. Also bis morgen.«
    »Gute Nacht, Schneidgut. Schließ bitte die Tür hinter dir!«
     
    Die Sonne kletterte über den Horizont, gab sich einen Ruck und kroch am Firmament empor.
    Es würde jedoch noch eine Weile dauern, bis das langsame, träge Licht über die Scheibenwelt glitt und die Nacht vertrieb. Die Herrschaft der Schatten über Ankh-Morpork blieb zunächst ungebrochen.
    Derzeit drängten sich die Schemen in der Filigranstraße zusammen, genauer gesagt: im Bereich der Geflickten Trommel, die zu den bekanntesten Schenken der Stadt gehörte. Ihr Ruf gründete sich nicht etwa auf das Bier, das wie Spülwasser aussah und wie Batteriesäure schmeckte, sondern basierte auf der besonderen Kundschaft. Wenn man lange genug in der Trommel sitzt, so heißt es, wird früher oder später jeder wichtige Held der Scheibenwelt versuchen, einem das Pferd zu stehlen.
    Nach wie vor erklangen laute Stimmen in der Taverne, und Rauch bildete dichte Wolken. Der Wirt hielt den Zeitpunkt für gekommen, Feierabend zu machen, und er versuchte, den Anwesenden mit einem demonstrativen Gebaren sein Ruhebedürfnis zu verdeutlichen: Er löschte einige Lampen, zog die große Standuhr auf, bedeckte die Zapfhähne mit einem Tuch und vergewisserte sich, daß die Keule mit den Nägeln griffbereit unter der Theke lag. Die Männer an den Tischen schenkten ihm natürlich nicht die geringste Beachtung. Für die meisten Gäste in der Geflickten Trommel wäre selbst der dicke Knüppel kaum mehr gewesen als nur ein zarter Hinweis.
    Dennoch waren sie aufmerksam genug, um vages Unbehagen angesichts der hochgewachsenen und recht finsteren Gestalt zu empfinden, die am Tresen lehnte und sich langsam durch den ganzen Barbestand trank.
    Einsame, hingebungsvolle Trinker erzeugen im allgemeinen ein mentales Kraftfeld, das ihnen eine ungestörte Privatsphäre gewährleistet. Doch dieser spezielle Kunde strahlte eine fatalistische Düsternis aus, die allmählich für Leere und Stille sorgte.
    Was den Wirt keineswegs betrübte: Der Fremde vor der Theke führte ein teures Experiment durch.
    Man findet sie in jeder einigermaßen gut ausgestatteten Taverne im Multiversum: Regale mit seltsam geformten staubigen Flaschen, die exotische Spezialitäten enthalten, meistens blaue oder grüne Flüssigkeiten – aber auch andere eher seltsame Dinge, die normale Flaschen nie in sich aufnähmen. Zum Beispiel irgendwelche Früchte, kleine Zweige oder – in extremen Fällen – ertrunkene Eidechsen. Niemand weiß, warum Wirte so großen Wert auf derartige Getränke legen, denn in der Mehrzahl schmecken sie wie eine Mischung aus Sirup und Terpentin. Vielleicht hoffen sie darauf, daß eines Tages ein Fremder das Lokal betritt und Pfirsichmarinade Mit Einem Schuß Pfefferminz bestellt – ein Ereignis, das die betreffende Schenke über Nacht zu einer Sehenswürdigkeit machen würde.
    Der ersehnte Fremde stand an der Theke und arbeitete sich durch ein Regal.
    WAS IST MIT DER GRÜNEN FLASCHE?
    Der Wirt blickte aufs Etikett.
    »Angeblich Melonencognac«, sagte er skeptisch. »Hier steht, der Brandy sei von Mönchen nach einem uralten Rezept hergestellt«, fügte er hinzu.
    ICH PROBIERE IHN.
    Der Wirt beobachtete die leeren Gläser auf dem Tresen. Einige von ihnen enthielten Reste von Fruchtsalat, aufgespießte Kirschen und kleine Sonnenschirme aus Papier.
    »Hast du wirklich noch nicht genug?« fragte er und hielt vergeblich Ausschau nach dem Gesicht des Unbekannten.
    Das Glas – die Flüssigkeit darin kristallisierte an den Rändern –

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