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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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legte er in die Mitte des Tisches ein grünes Samttuch, hielt ein Weilchen die geschlossene Faust darüber und ließ erst zehn Sekunden später ein Goldstück darauf fallen, das aussah, als hätte es jemand geduldig von allen Seiten mit warmer Zunge beleckt, so weich gerundet war es, wie lebend.
    »Darf man es anfassen?« fragte Hehe. Hans ermunterte ihn sofort: »Du sollst sogar die Beißprobe machen, ganz wie du’s im Western von klein auf gelernt hast.« Der Metzger nahm es zwischen die Zähne und legte es nickend zurück. Hans hatte ihn dabei nicht geradeaus angesehen, er ertrug den Anblick des kranken Freundes noch nicht. Statt dessen holte er einen Zettel und einen Stift aus seiner Jackentasche. Wir wußten sofort, er hatte sich ein Spiel ausgedacht, der Nugget war der stattliche Preis. Hans hielt den Zettel hoch, wir sahen, er war vollständig mit seiner Schrift und vielen Zahlen bedeckt.
    »Daten zu Alaska. Fragt mich ab, kreuz und quer. Bitte mit einfachen Sachen anfangen, damit es spannend bleibt. Wer mich bei einem Fehler erwischt, kriegt das Gold. Ich hab’s bei Anada Scheffer erstanden. Und ob ihr das jetzt glaubt oder nicht, ich höre tatsächlich ihren Schluckauf in diesem Moment.« Was dachten wir nun natürlich? Er zwinkerte in die Runde, er durchschaute uns gerade jetzt. Das beruhigte mich. Es war ihm gleichgültig, daß er sich verriet, vielleicht legte er es sogar darauf an.
    Dann ging es los. Gott im Himmel, mit welchem Eifer Hans geprüft werden wollte! Ich bekam hinterher das Papier mit Lösungen von ihm geschenkt und trage es immer bei mir, wie jetzt, habe es nie an Sabine abgetreten. Es ist doch, als hielte ich sein gewaltiges, kindliches Haupt zwischen den Händen. Ich glaube,Jeanette begann. »Wie viele Einwohner pro Quadratkilometer?« »Noch nicht mal eine halbe Verwandte, nur 0.39!« antwortete Hans ohne Mühe. Meldete sich danach Finnland? »Seit wann US-Bundesstaat und wann den Russen abgekauft?« »Erstens 1959, zweitens 1867.« »Was ist sein Reichtum und seine Gefahr?« las ich vor, es war vermutlich das Leichteste, ich hoffte ja, daß er siegte. »Das Öl!« Wer wollte dann wissen, wie die Winter und die Sommer ausfallen? »Lange, eisige Winter, kurze, erstaunlich warme Sommer.« Auch Sabines gutmütige Frage weiß ich noch: »Wie hoch ist der höchste Punkt?« »Mount McKinley, 6194m.« Einer, wahrscheinlich Herzer, fragte nach den drei Großlandschaften. »Die Gebirgskette an der südlichen Pazifikküste, die Yukon-Niederung, die Küstenebenen am Nordpolarmeer.« Hans zögerte keine Sekunde.
    Ich hatte den Eindruck, alle wollten gern das Goldstück haben, aber noch lieber unseren Herrn Hans gewinnen lassen, weil er sich so freute über sein Wissen. Iris fragte, als würde sie im Sitzen knicksen, wie ein Schulkind: »Wo entspringt der größte Fluß, wo mündet er?« »Der Yukon River entspringt in den Rockys, Kanada. Er mündet ins Beringmeer.« Hier schien Hans gerührt zu sein, daß Iris ihm gegen ihre Natur so gar keine Falle stellte. Er griff in ihre Haare und rückte den Kopf leicht nach unten. Durfte er das, angesichts ihres Verlobten? Gehörte sie ihm denn? Und als sie sich wieder aufrichtete, wirkte sie alles andere als unzufrieden.
    Bäder konnte es allerdings daraufhin nicht lassen: »Bitte die größten Städte, angefangen bei denen über 6000 Einwohnern.« Auf dem Zettel, der zwischen uns hin- und hergeschoben wurde, fingen sie mit der höchsten Zahl an, Hans mußte die Orte also rückwärts aufsagen. Zum ersten Mal sah man ihm an, wie er sich mit aller Macht konzentrierte. Wie viele von uns hätten ihm wohl gerne vorgeflüstert: »Bethel, Kodiak, Palmer, Ketchikan, Kenai, Wasilla, Sitka, Juneau, die Hauptstadt, Fairbanks, Anchorage?«Je größer die Städte, desto flüssiger sprach er, war aber ein bißchen ins Schwitzen geraten. Bäder feixte geschmeichelt.
    Die schönste Antwort handelte sich die zukünftige Mutter Ilona ein: »Alaska kommt vom aleutischen Alaxsxag und bedeutet: Land, in dessen Richtung der Ozean strömt.« Ich sah Hans an, wie gern er der Freundin oder Frau des bleichen Metzgers diese Auskunft gab.
    Noch immer lag das Goldstück auf dem grünen Samt. Die letzte Frage ging wieder an mich. Das Spiel sollte sich keinesfalls in die Länge ziehen. Bloß jetzt nichts sagen, was er nicht beantworten kann, dachte ich mir und las vor. »Welches ist das meist benutzte Verkehrsmittel?« Das war das einfachste, da konnte nichts schiefgehen. Herrn Hans aber

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