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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Laune heraus Nuggets verkaufenden indianischen Prinzessin mit elfenbeinerner Haut und hochgewölbten Brauen, die sich unter die Menschen gemischt hatte. Kein Foto? Durchaus nicht. Besonders niedlich sei es, wenn man »Anada Scheffer« zu dem wieselflinken Mädchen sage. Dann bekomme sie nämlich prompteinen kleinen indianischen Schluckauf. Er könne sich gar nicht satt daran hören.
    Ach, wie fühlten wir uns alle endlich wieder wohl! Keiner wünschte, die Zeit solle schneller vergehen. Wie glätteten wir uns von Minute zu Minute. Zu Ehren von Hans hatte ich mich überreden lassen, von Anfang an mit am Tisch zu sitzen. Dabei blieb es dann, bis alles zu Ende war und bis heute.
    Erst viele Wochen später erkannten wir, daß er uns schlitzohrig und zu seinem Vergnügen eine ganz falsche Figur präsentiert hatte, und nicht nur das: Auch Anada mußte wohl mit extra verkehrten Vorstellungen von uns gelebt haben. Wahrscheinlich malte sich unser lieber Kindskopf bereits an jenem Abend aus, was das für ein gegenseitiges Verwundern und Mißverstehen geben würde.
    Denn er eröffnete uns noch vor dem Essen: »Sie wird herkommen. Doch doch, Anada wird anreisen. Sie hat es felsenfest versprochen.« Mein Gott, wie er versuchte, nicht allzusehr zu jubilieren! Er tat es aber, es ließ sich nicht unterdrücken.
    Irgendwann erfuhren wir den offiziellen Grund, den, wie Iris sagte, Vorwand für seine Reise. Er hatte amerikanische Naturschutz- und Renaturierungsgebiete studiert, außerdem Kontakte zu Universitäten geknüpft, die Studenten schicken würden, und verfaßte eine Arbeit darüber. »Die sollen hier vor allem schuften, sollen die Massen von Birkenschößlingen rausreißen«, nuschelte Hans mit gespielter Arglist, runzelte aber doch kurz die Stirn. Außerdem habe er sich an Ort und Stelle über die Fortschritte der synthetischen Biologie informiert. »Ich wollte meine hochbetagte Mutter ein bißchen mit den selbstfabrizierten Lebewesen der Zukunft erschrecken, aber die alte Dame meinte am Telefon nur erfreut: ›Ach was! Sieh an! Fein! Wann ist es soweit?‹ Damit spielt sie mir einen ordentlichen Streich. Schließlich hatte ich gehofft, daß ich sie männlich trösten und über die Wissenschaft beruhigen müßte.« Und schon wieder dieser leicht abwesende Blick!
    In der Küche, als wir Frauen Magdalena wegen der vielen Speisen, die sie für das Festessen vorbereitete hatte, zur Hand gingen, sagte die an diesem Abend sehr nett in einen rötlich metallischen Panzer gesteckte Iris ein wenig spitz, ein wenig scharf: »Der kann uns viel vorschwindeln. Hätte er die ganze Zeit in Neuruppin Fische geangelt, sähe er genau so aus wie jetzt, und wäre er Bootsverleiher am Wutzsee oder Kellner auf einem Spree- und Landwehrkanaldampfer gewesen, dann auch.« Wir richteten Salat an, kuckten auf die Teller unter unseren Händen, und alle wußten: Aus Iris sprach die reine Erbitterung. Was half ihr jetzt das Märchen von den unschicklichen Anturien im Gewächshaus? Gerade sie, die neunmalkluge Libelle, mußte die Veränderung als erste bemerkt haben. Nicht zu leugnen, nicht aus der Welt zu schaffen: Unser Herr Hans hatte sich verliebt. Bis in die Küche hörten wir ihn gerade: »So eine kleine, exotische Verwandte! Blut ist eben doch dicker als Wasser und Tinte. Ihr wißt das vielleicht schon lange, ich wußte es bisher nicht.«
    Magdalena Zock raunte mir zu, während ihre nackigen Hände sehr fix den Braten aufschnitten: »Nun achten Sie bloß auf die Zärtlichkeit in seiner Stimme! Schierer Honig. Aber keine Angst, das legt sich, das legt sich.« Sie lachte aus ihrem breiten Frauenkörper heraus. Es war das Gurren einer sicheren Gattin und Mutter vieler Kinder. Ja gut, nur damals, einige Monate vorher, als sie auch so in der Küche hantierte und sogar flambierte, da hatte ihr eigener Mann, der stets ritterliche Bruno Zock, bei uns im Wohnzimmer mit leuchtenden Augen von der anderen, der lichtscheuen Liebe gesprochen. Das aber ahnte sie nicht.
    Mein Strohhütchen dagegen, an dem heute eine Eichelhäherfeder steckt, das läßt mich nicht im Stich. Es hört mir jetzt ebensogut zu, wie das im Winter die dicke Frau Jacke und manchmal diese Frau Elsa und im Vorfrühling die leichte Frau Jacke taten.
    Nach Magdalenas triumphalem Essen, das Hans gottlob nicht zu preisen vergaß als eine irgendwann doch heiß entbehrte »Wohltat der Kultur nach den Beeren und Pilzen der Wildnis« – obschon auch das für meine Ohren etwas halbherzig klang –,

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