Gewäsch und Gewimmel - Roman
zu und fragte, zum Entzücken unserer lieben Köchin, die sich auf Bitten von Hans noch mehr als gewöhnlich angestrengt hatte, ausgiebig nach Zutat und Rezept. Das geschah nicht aus Konvention. Es interessierte sie als Besonderheit unseres Volksstammes. Sie verzeichnete die Auskünfte wachsam in ihrem schön geformten Kopf.
Manchmal gab es ein kurzes Mißverständnis den Männern gegenüber, wenn sie rauh, zu diesem Zeitpunkt noch auf Englisch,auf deren Belehrungen hin zurückfragte. »Gibt es ein Buch dazu?« »Was meinen Sie damit genau?« »Worauf fußt Ihr Urteil?« Diese Brüskheit empfanden unsere Herren, selbst der gutmütige Hehe, der uns, was niemand ahnte, zum letzten Mal Gesellschaft leistete mit seinem krachenden Gelächter, wohl zunächst als Kritik. Wieder war es unsere spitzzüngige Iris, die plötzlich von sich gab, offenbar sicher, nicht von Anada verstanden zu werden: »O wunderbare Unbefangenheit des Naturkindes!« Es handelte sich aber, wie fast bei allem in Anadas Fall, um nicht anderes als schlichte, um allerreinste Neugier auf eine ihr bisher unbekannte Welt.
Keiner der Männer und Frauen erlaubte sich, offen eifersüchtig auf sie zu sein, obschon sie uns doch den Herrn Hans so mühelos geraubt hatte. Wo hätte man auch ansetzen sollen bei dem liebenswürdigen, zerstreuten Kind, das in seinem eigenen Zimmer jede Ordnung verabscheute, aber hier so geschickt beim Auf- und Abtragen und Abspülen und Anordnen zur Hand ging und sich sofort ohne die geringste Begriffsstutzigkeit entfernte, wenn es nicht gebraucht wurde? Wir alle rätselten jedoch wohl schon an diesem ersten Abend, jeder für sich, aus welcher Quelle Anada ihre Macht über Hans gewann.
Später sah ich an seinem finsteren Gesicht, daß sich Hans dieselbe Frage in großer Ratlosigkeit stellte. Sie dosierte in aller Unschuld ihr Lächeln, das so wunderschön in ihrem Gesicht aufgehen konnte wie ein Erröten, unbewußt mit der Klugheit eines raffinierten Weibsbildes. Jeder bemühte sich, Anada zu diesem Geschenk, zu dieser Kostbarkeit ihres allmählichen Erstrahlens zu verführen, es zu schaffen vor allen anderen, wenigstens ein einziges Mal an diesem Abend. Nur Iris gelang es ohne sonderliche Anstrengung, sich dem Zauber zu entziehen. Sie beschäftigte allein, das verriet sich durch die flackernden Blicke, wie es um die beiden stand, wie weit Anada und Hans miteinander waren. Es überraschte sie sehr, es gab ihr zu denken, als ich ihr Mitteilungvon Anadas gegenwärtigem Aufenthaltsort machte. »Ach so«, sagte sie schließlich, »diese Scheu, die er ihr gegenüber an den Tag legt, ist zweifellos frappierend. Ach so, wohnt nicht bei ihm, gutgut, abwarten.«
Man kann nicht behaupten, Hans hätte seine Freunde zwischen seiner Ankunft und dem Aufbruch an diesem Abend vernachlässigt. Er war sogar verschwenderischer als sonst, er wollte ja unbedingt und einerseits geradezu bittstellerhaft, daß wir Anada durch unseren Charme erfreuten. Aber gerade das war der Haken! Jeder von uns wußte, wo der Ursprung seines üppigen Wohlwollens lag. Bei uns leider nicht. Ach, wie Herr Hans, unsre Sonne, unser Kaiser, damals thronte, eine Burg, ein Schloß, in Glück und Glorie.
Hätte er bloß, wie man es von Festungen erzählt, Fässer mit Wasser oder ein gespanntes Fell mit Erbsen aufgestellt, um am schwachen Beben, am Anzeigen winziger Erschütterungen zu sehen, daß der Feind das Unterminieren versuchte! Doch nun spiele ich vor mir selbst schon wieder das dumme Mütterchen. Ich weiß in Wirklichkeit sehr wohl um seine Wachsamkeit.
Ein einziges Mal, nicht länger als zwei Sekunden, wetterte ein böser Zug über Anadas sanft entrücktes Gesicht. Die Linien waren für diesen Augenblick verzerrt, seitlich verschoben und verschärft. Es machte sie auf einen Schlag häßlich. Vielleicht war niemand außer mir gewarnt. Ich erkannte nicht den Anlaß für die Veränderung, die sie schnell, wie nicht gewesen, verließ. Ist es während des netten, aber unseligen Wünschespiels passiert? Als man sie über Alaska ausfragen wollte?
Da kommt mir die Frau mit dem Kinderwagen entgegen! Sie singt noch immer, das paßt zur Jahreszeit, es ist ein Frühlingsliedchen. Die junge Frau singt das alte Lied, wie Apfelblüten aus knorrigen Zweigen treiben, wie frische Tränen aus einem gefurchten Gesicht. Schon schäme ich mich wegen des Einfalls. Sie rennt. Warum jagt sie nur so dahin über die Unebenheiten,kurvt wie wild um Pferdeäpfel, auch mitten hindurch, und
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