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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Wenn man schon die Landschaft mit den Augen nicht auffressen kann, dann muß man wenigstens ein Butterbrot essen und rauchen. Hat nicht damals, beim Picknick am Feuerwehrteich, als wir in unserer Vorfreude wieder zu Kindern wurden, einer von uns versehentlich beim Essen ein großes Insekt mitten durchgebissen?
    Es gab an diesem ersten Abend mit Anada noch das Wünschespiel zu ihren Ehren. Magdalena hatte es mitgebracht. Sie verteilte lauter Papierzylinderchen, die man, einer nach dem anderen, anstecken mußte. Dann erhoben sich die entflammten Röhrchen prächtig in die Luft, und während sie brannten, sollte man sich stumm seinen glühendsten Wunsch dazu denken. Wäre es nicht lustiger, nämlich ein bißchen schamlos gewesen, die anderen hätten jeweils den des gerade Wünschenden zu raten versucht? Nur meinen nicht, um Himmels willen! Anstatt scharf dessen Gesicht zu beobachten, verfolgten wir bloß das kleine Feuer in der Luft, selbst ich beging diese Dummheit. Dann war es zu spät für Verräterisches. Graue Knäuel sanken auf die Tischdecke, und jedesmal entstand eine trostlose Sekunde. Wer hat außer mir bemerkt, wie geschmacklos sich die Hoffnungen ohne Ausnahme in staubige Unglückszeichen verwandelten? Hans, der schon. Er hat mir mit einem schnellen seitlichen Blick angesehen, wie mich die Trübseligkeit von Magdalenas Spiel erschreckte.Wir ertappten uns gegenseitig dabei, und es erboste ihn für kurze Zeit. Ich machte mich sofort klein.
    Einige Wochen später stand ich mit Hans und Anada genau dort, wo ich mich jetzt aufhalte, und die Feuerchen in der Luft über dem Wohnzimmertisch tauchten wieder vor mir auf. Diesmal waren es zischende Heißluftballons über den Heideflächen. Hans erklärte dem Mädchen ohne aufzublicken voller Eifer das Prinzip der Wiedervernässung und seine Probleme mit der angrenzenden störrischen Land- und Forstwirtschaft. Anada träumte lächelnd den Ballons nach, die unter rhythmischem Lärmen in die ungezähmte Bläue entschwebten. Hörte sie Hans?
    Hörte sie Herrn Hans überhaupt? Hörte sie zu an jenem ersten Abend bei uns im Tristanweg? Manchmal schien sie auch da zu träumen, was vor allem die Galeristin zwickte. Iris hatte sich nun einmal vorgenommen, die von Hans seit Wochen angekündigte Kleine aus der eisigen Wildnis ein bißchen einzuschüchtern. Durch ihr extravagantes Kleid war das nicht gelungen. Also versuchte sie etwas anderes. »Klondike«, rief sie plötzlich mit süfffisantem Mund, nachdem die Flämmchen alle verglüht waren, »okay, okay, wer kennt sie nicht, die alte Legende aus längst vergangener Zeit! Aber was, liebste Anada, sagen Sie zu den Vorhaben in der Nähe der Bristol Bay, wo die schöne Sichel der Aleuten beginnt, die dann das halbe Beringmeer umschließt?« Und wiederholte es knapper auf Englisch.
    Wir kannten unsere Iris. Sie wollte das ein wenig ungesellig in sich gekehrte Mädchen aufs Glatteis führen, es zurechtstutzen nötigenfalls. Anada hob den Kopf und langsam, wenn auch nur kurz, die Augenlider. Freundlich fragte sie, ebenfalls auf Englisch, zurück: »Sie haben im Atlas nachgesehen?« Das meinte sie vermutlich gar nicht spöttisch, trotzdem begannen alle, außer Iris, vor sich hin zu grienen. Dann berichtete sie, nun aber nur für Hans, ausdrücklich nur für ihn allein, sanftmütig, jedoch in ratternder Schnelligkeit, als absolvierte sie eine lästige Prüfungund wollte gerade ihn, Hans, nicht enttäuschen, man habe dort oben unter der Tundra riesige Lager von Bodenschätzen entdeckt, Millionen Tonnen Kupfer und fast 3000 Tonnen Gold. Nun liege die Pebble Mine im Streit mit Umweltschützern und Fischern. Dabei gehe es um die Unmengen Wasser, die für den Abbau benötigt würden, um die drohende Zerstörung ganzer Ökosysteme und damit auch der Laichgründe der Lachse, wenn das aus der Mine in die Flüsse zurückgepumpte Wasser zwar sauber, aber im Mineralgehalt oder in der Temperatur gering verändert sei. Wir hörten es doppelt, denn sicherheitshalber übersetzte Herr Zock. Er tat es, das muß man zu seiner Ehre sagen, sehr konzentriert. Sie sagte ihren Situationsbericht auf wie ein braves Schulkind, und so habe ich es behalten. Anada hatte das abverlangte Pensum geliefert oder erledigt, hatte klargestellt, daß sie nicht auf den Kopf gefallen war, und danach nie wieder das Bedürfnis, in dieser Weise von Alaska zu erzählen. Das höfliche, unbedrückte Kind schien das alles, kaum war es von ihm ausgesprochen, zu vergessen.
    Mir fiel

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