Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
auf, daß sie Iris für den restlichen Abend keines Blickes mehr würdigte, sosehr die Libelle Anada auch fixierte. Das machten wir alle, doch keiner tat es so selig und ausschließlich wie Hans, indem er an dem Mädchen vorbeisah, immerzu inständig vorbeisah. Es ärgerte die Frauen diesmal noch nicht allzusehr, aber später. Und die Männer? Sogar die. Die nächsten Veranstaltungen, in rascher Folge und wechselnder Besetzung, vermischen sich. Das merke ich jetzt, wo ich beim Wandern täglich mein Gedächtnis und mein Reden erprobe, als wäre da jemand. Und da ist ja auch einer, nämlich mein Strohhütchen, das kratzige Herrlein.
    Von diesem ersten Abend mit Anada hat sich mir für immer eingeprägt, wie sie sich plötzlich ohne Ankündigung erhob.
    Wir sahen, auch wegen der Heftigkeit der Bewegung, alle zu ihr hin, auf ihre bleiche, ich dachte für mich ab und zu: mondscheinhafteStirn, hinter der sich Bilder stapelten, in weißes Seidenpapier gepackt, Bilder, die uns ohne Ausnahme unbekannt waren. Sie verbeugte sich leicht, und dann sagte sie, fehlerlos, auf Deutsch den Satz: »Ich danke Ihnen allen. Es war ein unvergeßlicher Abend.« Schon zog sich die schmächtige Gestalt, während wir sprachlos dasaßen, ohne weiteres zurück, lächelte nur Hans liebenswürdig zu. Dem gelang es jedoch nicht, seine Verblüffung, die fast nach aufsteigendem Zorn aussah, rechtzeitig vor uns zu kaschieren.
    Die in ihren besten Momenten mütterliche Magdalena faßte sich als erste mit der Erklärung: »Wir hätten mehr Rücksicht nehmen sollen. Das Kind muß schrecklich müde sein.« Man nickte dazu, erleichtert, besonders Hans. Das änderte jedoch nichts daran, daß der Satz Anadas wie eine Beleidigung gewirkt hatte. Eine kalte Dusche für unsere kleine, gemütliche Geselligkeit im Tristanweg 8. Ein so brüskes Verabschieden hatte bisher nur Hans zugestanden. Als sie gegangen war, fehlte etwas. Alle spürten es. Wir redeten darüber hinweg. Diesmal galt das Frösteln nicht der ausgerissenen Sonne Hans, sondern einem entwichenen Schimmer, einem feinen, entschwundenen Perlmuttglanz. Unsere Sonne fror am meisten.
    Es wurde noch kräftig getrunken, man erzählte Witze, wir waren lauter als sonst. Ein letztes Mal sprang uns Hehe mit seinem Gelächter bei. All diese gestandenen Erwachsenen wünschten auf einmal, die kleine Schläferin in ihrem Zimmer mit dem Lärm zu stören. Sie sollte nicht einfach für sich sein und zur Ruhe kommen. Am meisten, fast ein bißchen schonungslos, wollte das unser Herr Hans. Es half aber nicht. Sie hatte sich uns entzogen.
    Nun war das Mädchen eingetroffen und gut bei uns in Mirkos Zimmer aufgehoben, aber die Unruhe von Hans nahm zu. Das konnte er doch vor mir nicht verbergen! Ich bemühte mich, so unschuldig wie möglich hinzunehmen, daß er, wenn er spätermit Anada in seine Eiszeitwildnis ging, immer meine Anwesenheit verlangte. Andererseits wurden die Frauen bei den Abendtreffen aufgeregter und toller. Die nervöse Geistesabwesenheit von Hans reizte sie zusätzlich. Ich glaube, sogar die schwangere Ilona wäre jederzeit zu einer Affäre mit ihm bereit gewesen. Er hätte nur einer von uns etwas länger in die Augen blicken müssen, schon wäre aller Widerstand dahingewesen. Bloß verhielt es sich ja so, daß Hans zwar keineswegs seinen Zauber und das galante Gehabe abgelegt hatte, aber keiner, erst recht wir Frauen nicht, die in diesen Dingen klüger sind, ließ sich von ihm in dieser Hinsicht was vormachen, auch wenn wir trotzdem, vielleicht auch empört, genossen, wie er uns spielend um den Finger wickelte mit einem beiläufigen Satz oder Lächeln. Er markierte automatisch und wohl halbwegs zur Tarnung den allseits hoffenden Liebhaber, aber nichts lag ihm ferner, als das bei uns einzulösen. Und doch: Solange unser Herr Hans nur lächelte, konnte uns nichts wirklich Schlimmes zustoßen! Er bot die Gewähr und Garantie.
    Uns beiden, Sabine und mir, war das Mädchen immerzu sicher. Wir sahen es ja bei jedem Frühstück wieder, ich gebe zu, zu unserer Freude, auch wenn ich nicht weiß, was Sabine wirklich dabei fühlte. Sie stellte unser Unterpfand Hans gegenüber dar, das auf jeden Fall. Wie lange das so gehen würde, wußte keiner. Es war eine liebliche Anwesenheit, das ja.
    »Moilliet, Mignon!« rief die Galeristin, merkwürdigerweise in einer weiten weißen Hose, einer rosa Seidenbluse und mit hochhackigen roten Schuhen, wohl schon am nächsten geselligen Abend, als das Mädchen noch oben in seinem

Weitere Kostenlose Bücher