Gewäsch und Gewimmel - Roman
Zimmer war. »Ich habe was für unsere kleine Anaconda mitgebracht.« Bei den vorbereitenden Telefongesprächen hörte ich:
»Das tun wir für König Hans, obschon wir mit den Terminen ziemlich rangieren müssen.«
»Wenn er an seiner kleinen Verwandten einen Narren gefressenhat, der arme familienlose Mann, dann wollen wir ihm für die Dauer ihres Besuchs die Freude machen.«
Der Metzger Hehe kam nicht mehr, er schickte Ilona: »Sie verdoppelt sich. Daher kann sie mich prima vertreten.« Einige Male an diesem Abend blickte Hans, wenn er glaubte, unbeobachtet zu sein, schwermütig zum leeren Platz seines Freundes hinüber, der nun gar nicht mehr so herzlich dröhnend lachte für uns und immer, ein zuverlässig feuernder Ofen, seine Wärme verschwendet hatte.
»Er muß dauernd ins Krankenhaus«, flüsterte Ilona, als verriete sie uns etwas Verbotenes. Ihre erschöpfte Blässe unterschied sich von der Anadas. Wie tolpatschig sich aber die roten Bäckchen Bäders, der im Gegensatz zu dem Gynäkologen und dem Baumarktbesitzer treulich erschien, von beiden abhoben! Jetzt stand er mit seiner gehätschelten Jugend dumm da. Das fiebrige Wangenrot der Damen bei unseren Treffen schien langsam aus der Mode zu kommen. Es verblich mit Anadas Eintreffen.
Im Tristanweg wird es sich mittlerweile für heute ausgeschnäbelt haben. Liebe schützt auf Dauer nicht vor Frühstückshunger. Ich will mir keinesfalls vorstellen, wie meine harsche Sabine mich nach dieser ersten gemeinsamen Nacht mit einem neuen Mann unter unserem Dach ansehen wird. Sie weiß nicht, was sie mir genommen hat. Früher allerdings, als sie sehr klein war, da gehörte sie vollständig mir. Gut, dann folgte bald ihr eigenes Leben und bog sich weg. Aber von diesem Früheren, in dem wir beide, sie und ich, so wunderbar eingenistet waren, ist sie längst ausgeschlossen. Ich bin es nicht, ich kann mich erinnern, keiner kann es mir rauben, auch sie nicht. Damals war sie mein Eigentum. Es hat mit meiner erwachsenen Tochter und Sabine von heute nichts zu tun. Hin und wieder fallen mir die drei Hartmann-Brüder ein. Ich ahne nun auch, warum. Wenn ich mich langweilte, hatte ich in ihnen was zum Fürchten. Schon wurdenja die längsten und ödesten Straßen durch die mögliche Nähe der drei bedrohlich, begannen sich zu krümmen und zu buckeln vor Gefahr. Die drei Brüder! Und was ist mit dem Mädchen, dem Metzger und den Jägern? Ach was, nur eine fixe Idee. Nichts ist damit, kein Sinn.
»Mignon, Moilliet? Nein, diesmal keine prächtigen Fruchtschalen, diesmal Spitzenwerke der abendländischen Malerei von Giotto bis Picasso! Ein Kunstquiz für Leute zwischen 8 und 88 Jahren. Sie kann es für sich allein spielen und dabei zur Kunstkennerin werden. Hier, seht euch das an, alles versammelt in der Kunstquiz-Box. Genau das Richtige für jemanden, der am Nordpol beheimatet ist. Und für die kommenden langen Winternächte dort!«
Die Galeristin glitzerte uns an, sie zwinkerte und blitzte vor Schadenfreude, denn sie war sicher, daß Anada all die großen Meister der europäischen Kunstgeschichte unbekannter sein würden als uns die Naturwunder Alaskas. Erstaunlicherweise rief Hans sie nicht zur Ordnung. Er lauschte nach oben, auf die Schritte Anadas, verlor schließlich die Geduld und befahl Sabine beinahe grob, endlich das Mädchen zu holen. Es kam auch sofort, allerdings mit verschlafenem Gesicht. Der Bluse sah man an, daß Anada aus dem Bett gesprungen war. Sie habe uns völlig vergessen, sagte sie in aller Unschuld. Wäre es schlimmer gewesen, wenn sie uns absichtlich hätte warten lassen? Dabei stand ihr das leicht Verquollene, das Sabine und ich jeden Morgen studierten, wieder so reizend zu Gesicht, daß Hans sich nur knurrig erkundigte, ob sie sich auch für die Eisbären so lange schönmache, obschon er sich offenbar etwas ganz anderes vorgenommen hatte, wenigstens eine energische Zurechtweisung.
Auf einer der breiten Fensterbänke, noch bevor wir uns an den gedeckten Tisch setzten, blätterte Iris mit der Fixigkeit eines routinierten Kartenspielers die duftigsten, wildesten Blumenbilder hin, jeweils in einer Gesamtaufnahme und zwei verschiedenenAusschnitten, wo sie immer zum Stilleben wurden, Mohnfelder und Sonnenblumensträuße, welkende Angebinde und frische Blütenkronen auf jungen Geliebten. Die winzigen Gemälde explodierten in allen Farben und Stilen. »Dort Rembrandt, da Monet, da Böcklin, hier Delacroix, Botticelli, James Ensor, Dieter Asmus«, rief unsere
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