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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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märchenhafte, im Baum und späht bei offenem Schnabel in die Ferne. Mit den Krallendolchen preßt sie den Hals des riesigen blauen Hyazintharas auf den Ast. Auch er hat, er aber im Todesschrei, seinen Schnabel geöffnet.
    Das ist der Anblick, den das Kind Ilse noch nicht, und den der Erwachsene Brück noch immer nicht recht verkraftet, selbst jetzt nicht, wo doch Frau Dillburg in sein Leben getreten ist.
Rätsel
    Was ist ein Moorochs?
    Hilfe: Wer ihn je gehört hat, sagt man, vergißt es nie.
Das Ethos der Maschinen
    Herr Fritzle vertieft sich in den Anblick seiner früh blühenden Hochstammrosen. Vom legendären Ratzeburger Achter über die Heidelberger Hotelfachschule und den Holzkaufmann bis hin zuden legendären Blumen war es ein weiter und sprunghafter, für Fritzle aber durch und durch organischer Weg. Alles hatte miteinander zu tun.
    Zwei junge Leute kommen vorbei. Jeder von ihnen sagt im gerade modernen Näselton auf der kurzen Strecke dreimal »Okay« und dreimal »Geerne«.
    Sehen die Rosen nicht plötzlich wie hochempfindliche, übertrieben gedrechselte Ohrmuscheln aus? Gereizt wie die meinigen, sagt sich Fritzle schlagartig zornig, immer zorniger. Die Leute, die Frauen schlimmer als die Männer, ahmen das maschinelle Sprechen nach. Sie tun es, sobald sie öffentlich die schönen Lippen öffnen, ihr neuzeitliches Maul aufreißen. Der Sound des Automatischen ist der Ausweis des Gegenwartsbewußtseins. Wer in menschlichen Modulationen spricht, wirkt asozial ausufernd. Was herrscht, ist das Ethos der Maschine, die Macht des Echos der Maschine in uns, eintönig, abgehackt, automatengrau.
    Drinnen geht er sogleich an den Bücherschrank und mit seinen Goethe-Gedichten zurück zu den Blumen: »Doch man horcht nun Dialekten, wie sich Mensch und Engel kosen, der Grammatik, der versteckten, deklinierend Mohn und Rosen«, flüstert er in die errötenden Ohrmuscheln seiner Hochstämmigen.
    Ist das ein Lächeln ringsum und ein Duften auf einmal!
Die Zauberformel
    Frau Dillburg kauft sich ein Sommerkleid. Unbedingt nötig wäre es nicht, aber es hat aus dem Schaufenster heraus so pfeilgerade auf ihr Herz gezielt. »Verrückt, dieses Muster, der tiefe Rückenausschnitt«, sagt sie unsicher zur Verkäuferin, hofft aber auf Beschwichtigung. Die Verkäuferin schmunzelt von Frau zu Frau: »Apart eben.« Und nach schwesterlich abwägender Pause ein verschwörerischer Einfall: »Sie können es doch später als Nachthemd tragen!«
    Das hat sie in dieser Saison schon zum vierten Mal gesagt und nie, niemals ohne prompten Verkaufserfolg.
Kalte Elsa?
    »Der Witz ist alt, aber vielleicht kennst du ihn noch nicht«, sagt Elsas Freund Henri beim Abendessen: »Drei Männer über siebzig sitzen beim Skat. ›In letzter Zeit weiß ich beim Telefonieren oft nicht, ob ich angerufen habe oder angerufen worden bin‹, sagt der erste. ›Bei mir passiert was Ähnliches. Wenn ich den Hut aufhabe, kann ich manchmal nicht auf Anhieb sagen, ob ich vom Spaziergang heimkehre oder gerade loswill‹, sagt der zweite. ›Das kommt bei mir nicht vor‹, sagt der dritte, ›Toi, toi, toi‹ und klopft auf die Tischplatte, dreht sich dann aber um und ruft: ›Herein!‹«
    Elsa lacht los. Denkt sie an Fritzle? Sie lacht tatsächlich Tränen aus Micky-Maus-Augen, wie es ihrem Freund so an ihr gefällt. Er kann sich gar nicht sattsehen daran. Als sie sich endlich beruhigt hat, erzählt sie ihm, daß in ihrer Familie eigentlich alle außer ihr zum Weinkrampf neigten, aber nicht aus Lachgründen. Selbst Angeheiratete würden nach einiger Zeit die Gewohnheit des hysterischen Tränenausbruchs übernehmen. Als man ihr den Tod des sehr geliebten Vaters telefonisch mitgeteilt habe, sei extra für die schon versammelten Angehörigen am anderen Ende das Telefon laut gestellt worden in der Erwartung, nun endlich, endlich einmal auch sie, Elsa … Aber nichts da!
    Dann lacht sie in froher Hartherzigkeit weiter über den Witz.
Die Töchter des Gesanges
    »… und wenn die Türen an der Gasse sich schließen, daß die Stimme der Mühle leiser wird, und wenn sie sich hebt, wie wenn ein Vogel singt, und alle Töchter des Gesanges sich neigen.«
    Wo hat er das her? Hannes Keller, der noch immer, auch im Fall der letzten Bewerbung um ein Stipendium erfolglose Komponist,weiß es nicht. Der Satz raschelt und singt ihm im Ohr, als er sich stumm bei der Welt beklagt, daß sie rechthaberisch die Geistlosigkeit der Gefühle propagiert und Chemie und Mechanik des Hirns

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