Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag

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Preisgeldesel, die sich mit prall von Zaster gefüllten Taschen immer weiter ohne Scham zu Fachleuten in Leid und Verfolgung ausrufen! Und das Blödeste: Das Publikum frißt ihnen ihre miese Botschaft aus der Hand. Angeekelt von seiner eigenen Riesenmasse, will das Volk immer das eine: den König, den Popstar, den Märtyrer.
    Ich selbst habe beim Kassieren wenigstens keine Tränen vergossen.
    In diesem Sinne eisern: Pratz
    P.S. Was soll man daraus schließen, daß die meisten Schriftsteller um die sechzig ihre Helden Mitte dreißig sein lassen?
    In diesem Doppelsinn: P.
    P.S. 2: Sie haben mir auf Ihre schlaue, gerissene, ruchlose Weise die meisten Preise verschafft, mich in den alten Adel von Genua und Paris und in mäzenatische Wirtschaftskreise eingeführt. Mit Kisten Champagner und Kistchen edler Zigarren haben Sie mir gesellschaftlichen Schliff beigebracht. Trotzdem sind Sie ein Arsch! Ich habe mich durch Sie, von Bücherherbst zu Bücherherbst gründlicher, verarschen und verderben lassen.
    Nochmals: Pratz, ebenfalls Arsch.
»Das Leben geht weiter«
    Im letzten Moment, schon fast waghalsig, ist zu Finnland, dem lange Zeit treuen Anhänger Hans Scheffers, eine Frau in das Drehtürsegment geschlüpft. »Finnland! Nein!« kichert sie, nicht weniger überrascht als der Mann, der in großer Eile mit einem Päckchen unterm Arm das Warenhaus verlassen wollte. Duzt man sich? Man kehrt lieber zum »Sie« zurück.
    »Gut, daß ich zumindest Sie treffe«, legt Iris Steinert gleich los, »vor wenigen Tagen ist Jeanette Herzer gesichtet worden, draußen auf dem Land, mit roten Backen bei der Gartenarbeit. Geholfen hat ihr ein Mordsschwarzer, ein Baobab von Mann. Sie haben Figuren abgewaschen und ins Gras gestellt, gipserne Götter, nackte Nymphen. Wer hätte das gedacht, wie kann es dazu gekommen sein? Unsere Jeanette und ein Afrikaner, vielleicht auch ein Bursche von den Antillen! Was für eine Vitalitätsspritze nach dem langen Darben für die Gute!«
    »Erstaunlich. Sie sehen, Iris: Das Leben geht weiter. Ich treffe gleich zum ersten Mal meine Internetbekanntschaft. Da ist Verspätung Todsünde Nummer eins. Alles ist offen, ein Hausbesuch, Sie verstehen.« Finnland rennt davon.
    Alles unterwegs in Paarungsgeschäften! Ob auch Zock, von dem Scheffer behauptete, er sei treu wie ein Graureiher, immer noch ausschließlich streng ehelich tätig ist? rätselt die Galeristin,verdutzt und vereinsamt, bevor sie, nach kurzem Informationsblick, entschlossen stolpert. Der hübsche, Iris entgegenkommende Mann, der sie mit beiden Armen auffängt, bildet sich ein, es sei Zufall und er sei schuld.
    »Das Leben geht weiter«? Iris hält ihn vorerst unerbittlich in ihren Fängen.
Gänsehaut des Universums
    Ein Mann, Dillburg? Pratz? wurde von winzigen Lanzenspitzen attackiert. Seine Haut konnte nicht unterscheiden, ob der Angriff von innen oder von außen erfolgte. Er nannte es »quälenden Juckreiz«, der mardergleich von einer Stelle zu einer entlegenen, nicht vorhersehbaren anderen sprang. War es nicht ein Hin- und Herzucken über große Körperräume hinweg, mal einzeln, mal in Massen? Der Juckreiz, da es die Welt offensichtlich nicht juckte, mußte, bei Licht betrachtet, von innen kommen, ein bodenloses, aggressives Sternengewimmel in der Blutbahn. Wenn jedoch die Person zur Kühlung in die Nacht nach draußen lief, stellte sich das Jucken, beim Blick zum Firmament, als Gänsehaut des Universums heraus, das sich nach seinem Vorbild in glühenden Punkten verkrampfte. Hatte sich nun der Himmel an ihrer, der zermürbten Person, irdischen Lächerlichkeit angesteckt oder umgekehrt, sie an der Erhabenheit des Alls?
Die Wolke
    In der Schule sieht sich Ilse eingezwängt zwischen Grammatik, große Ströme und deutsche Gebirgszüge, außerdem unter die strenge Aufsicht der Zahlen gestellt. Mit Klingelzeichen wird tagtäglich im Takt exerziert. Ein Foto erweckte große Begeisterung, bei den meisten Kindern und auch bei der Lehrerin. Man sah den nackten, hochgewölbten Bauch einer Frau. »Das bin ich, die da drin ist«, sagte Alexandra, sie platzte fast vorStolz, »damals, als ich unterwegs war.« »Und in diesen Ballon hat dich dein Vater reingedingst?« fragte und grinste einer ungestraft.
    Ilse war froh, daß ihre Mutter sich »damals« nicht hat fotografieren lassen.
    Dann las die Lehrerin einen Aufsatz von Ilse vor, den sie so lobte wie davor den dicken Bauch, vor allem den Satz: »Am Himmel zog gerade eine Königswolke vorüber.«
    Das