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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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interessierten uns zwei Tage dafür.
Zentunkel?
    Wer heißt »Kleinwinziger Zentunkel«? Ist es ein niederer Engel? Ein Wärzchen im Bauchnabel? Ein Mischwesen aus Zentaur undUnke? Oder heißt so lediglich ein Prosastück von E. T. A. Hoffmann oder gar Stifter?
    Noch geheimnisumwitterter: Auf welche Weise können in unserem lieben Vaterland jährlich 58 Mio. nichtswürdige Schweine, während sie geschlachtet werden, kostbare menschliche Existenzen im westlichen Europa gefährden?
Zurechtweisung
    Der Frauenarzt Herzer, ein Bekannter von Sabine und Luise Wäns, kauft neuerdings, seitdem er von seiner Frau getrennt lebt, nach Praxisschluß in einem nahen Supermarkt die Grundnahrungsmittel ein. Kürzlich, als er seine Sachen nach dem Bezahlen zusammenpackte, studierte er, zufällig und flüchtig, die Physiognomie der Kassiererin und des nächsten Kunden: klassentypisch stark übergewichtige Frau, Sozialhilfeempfänger mit Säufernase. Allernötigste menschliche Merkmale von derbem Finger in die Fleischmasse der beiden Gesichter gedrückt. Herzer konstatierte es mit leichtem Grausen. Dann hörte er, wie die Frau dem Mann, der ihr die in seinen Händen zitternde Geldbörse hinhielt, beim umständlichen Sortieren der Münzen half, sah diese Individuen – er korrigierte sich rasch: individuellen Personen –, wie sie ihr Geschäft mit großer Zartheit abwickelten, damit die gegenseitige Ehre auch ja unangetastet bliebe.
    Fast so, als wäre es gegen ihn, Herzer, den unschicklichen Zuschauer, gerichtet.
Jemand
    Jemand, eine Frau, jene Martha mit dem Kochtopf war es wohl, wurde von jemandem angerufen, der sie raten ließ, wer er sei. Sie, Martha Bauer, solle einmal raten. Ob sie seine Stimme noch erkenne? Martha vermutete dies und das, schließlich fragte sie: »Etwa der Vetter Ludger?« »Bravo!« rief der Mann und ermunterte sie sogleich, nach der langen Pause aus ihrem Leben in der Zwischenzeitzu erzählen, auch, welche Kindheitserlebnisse, besonders die mit ihm, Ludger, sie noch in Erinnerung habe. »Ja genau«, rief er manchmal, und: »Stimmt, so war’s! Schöne Kusine Martha, wie mich freut, daß du ein so gutes Gedächtnis hast!«
    Jetzt müsse er aber auch von sich berichten, meinte Martha schließlich. Da ließ sich Ludger nicht lange bitten. Die Vergangenheit solle ein Weilchen ruhen. Jetzt sei die Gegenwart vordringlich. Er stecke in einem Riesengeschäft, bei dem es um Millionen gehe. Gleich treffe er den Verhandlungspartner zum entscheidenden Essen. Zu seinem Schrecken, jedoch und aber, habe er eben festgestellt, daß er nichts Kleines bei sich habe. »Kleines?« so Martha. »Ein paar Scheinchen bloß. Muß dem Kerl imponieren, erstklassiges Restaurant und so weiter. Die Sache hat sich blitzschnell ergeben. Ich muß schneller sein als die Konkurrenten. Bin deshalb sofort washastduwaskannstdu losgestürzt. Alles hängt am unverzüglichen Handeln.« Dummerweise habe er seine Papiere, Scheckkarte und so weiter, beim schnellen Aufbruch in Hannover liegengelassen. Kurz, sie ahne es sicher: Ob sie ihm aus der Patsche helfe mit ein bißchen Bargeld für heute abend? Es sei in ihre zarten Hände gelegt. Schrecklich peinlich für ihn natürlich das Ganze, doch er vertraue auf ihren Familiensinn.
    »Ich habe doch nur, warte, nur fünfhundert, nicht mehr als fünfhundert im Haus, lieber Vetter Ludger, mein Mann ist noch …«, sagte Martha zögernd, ein wenig stockend, mädchenhaft, ja jüngferlich enttäuscht. Sie hatte aber in Wahrheit keinen Mann mehr, dagegen viertausend Euro in einem kleinen Tresor im Schlafzimmer. »Okay, okay, dann müssen wir in Gottes Namen, Martha, du Engel, auf die Bars, auf den kleinen Bummel, du gute Seele, in Fällen wie diesem das Wichtigste zwar, eben verzichten. Morgen bringe ich alles in Ordnung. Du kennst mich ja. Jetzt gleich kommt jemand bei dir vorbei. Noch mal, zur Sicherheit bitte, deine Adresse, ich meine, genau? Ein Bote, Kurier, vonmir informiert. Öffne ihm also ruhig die Tür. Ich selbst muß los, hab zu lange geredet, die Zeit rast davon. Wir sehen uns morgen! Bereite du schon die Quittung vor. Doch, doch mein Schatz, keine Widerrede, ich bin in Gelddingen für Korrektheit, auch unter Verwandten. Was sein muß, muß sein!«
    In diesem Moment hat Martha, ihrer Sache plötzlich sicher, aufgelegt. »Ein Betrüger«, sagte sie laut, glücklich, es noch rechtzeitig bemerkt zu haben.
    Und doch war sie wegen der Hilfeverweigerung dann den Abend über ganz unvernünftig verstört,

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