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Gewalt

Gewalt

Titel: Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Pinker
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Feind des westlichen Establishments, der Marxismus, gewann mit seinem Vordringen in »Befreiungsbewegungen« der Dritten Welt an Prestige und wurde bei modernen Intellektuellen und Lebenskünstlern zunehmend salonfähig. Meinungsumfragen aus den 1960 er bis 1990 er Jahren lassen ein schwindendes Vertrauen in sämtliche gesellschaftlichen Institutionen erkennen. [258]
    Die Einebnung der Hierarchien und das kritische Hinterfragen der Machtstrukturen ließen sich nicht mehr aufhalten und waren in vielerlei Hinsicht wünschenswert. Die Abwertung des Establishments hatte aber unter anderem auch den Nebeneffekt, dass die aristokratische und bürgerliche Lebensweise, die im Laufe der Jahrhunderte weniger gewalttätig geworden war als die der Arbeiter- und Unterschicht, an Ansehen verlor. Die Werte sickerten jetzt nicht mehr von oben nach unten, sondern sie stiegen von der Straße nach oben, ein Prozess, den man später als »Proletarisierung« oder »Herunterdefinieren der sittlichen Kriterien« bezeichnete. [259]
    Diese Strömungen wirkten der Welle der Zivilisation entgegen, und das wurde in der Populärkultur jener Epoche zelebriert. Der Rückfall hatte seinen Ursprung sicher nicht bei den beiden Haupttriebkräften von Elias’ Zivilisationsprozess. Anders als im nordamerikanischen Westen und in den gerade unabhängig gewordenen Kolonien in der Dritten Welt verfiel die Regierung nicht in Anarchie, und die auf Handel und Spezialisierung basierende Wirtschaft machte auch keinem Feudalismus und Tauschhandel Platz. Aber der nächste Schritt in Elias’ Abfolge, der psychologische Wandel in Richtung größerer Selbstbeherrschung und gegenseitiger Abhängigkeit, geriet in der Gegenkultur der Generation, die in den 1960 er Jahren erwachsen wurde, unter steten Beschuss.
    Ein wichtiges Ziel war die Selbstbeherrschung, der innere Regulator des zivilisierten Verhaltens. Spontaneität, Selbstverwirklichung und das Ablegen von Hemmungen wurden zu Kardinaltugenden. »If it feels good, do it« [»wenn es sich gut anfühlt, mach’ es«] befahl ein beliebter Meinungsbutton.
Do It
war der Titel eines Buches des politischen Agitators Jerry Rubin; »Do It ’Til you’re Satisfied (What ever it is)« [»Mach’ es, bist du zufrieden bist (ganz gleich, was es ist)«] lautete der Refrain eines beliebten Songs von B. T. Express. Der Körper wurde über den Geist gestellt: Keith Richards prahlte, Rock ’n’ roll sei »Musik vom Hals abwärts«. Und die Jugend stellte man über das Erwachsenenalter: »Trau’ keinem über dreißig«, riet der Agitator Abbie Hoffman, und die Gruppe The Who sang in »My Generation«: »Hope I die before I get old« [»Hoffentlich sterbe ich, bevor ich alt werde«]. Geistige Gesundheit wurde verunglimpft, Psychosen in Filmen wie
Simson ist nicht zu schlagen, Einer flog über das Kuckucksnest, Addie and the King of Hearts
oder
Ausgeflippt
romantisch verklärt. Und dann gab es natürlich die Drogen.
    Ein anderes Angriffsziel der Gegenkultur war das Ideal, der Einzelne solle in ein Netz von Abhängigkeiten eingebettet sein, die ihm in stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen und Organisationen Verpflichtungen gegenüber anderen Menschen auferlegen. Wenn man ein Bild sucht, das diesem Ideal so krass wie möglich widerspricht, dann ist es ein rollender Stein. Dieses Bild, das ursprünglich aus einem Song von Muddy Waters stammt, fand im Zeitgeist so großen Widerhall, dass es der Name von
drei
Ikonen jener Kultur wurde: der Rockband, des Magazins und des berühmten Songs von Bob Dylan (in dem er eine Frau aus der Oberschicht verspottet, die gerade obdachlos geworden ist). »Tune in, Turn on, Drop out«, das Motto des früheren Harvard-Psychologiedozenten Timothy Leary, wurde zum Wahlspruch der psychedelischen Bewegung. Der Gedanke, die eigenen Interessen im Beruf mit denen anderer zu koordinieren, galt als Ausverkauf. Bob Dylan formulierte es so:
    Well, I try my best
    To be just like I am,
    But everybody wants you
    To be just like them.
    They say sing while you slave and I just get bored.
    I ain’t gonna work on Maggie’s farm no more.
    [Nun, ich geb’ mir Mühe
    Zu sein, so wie ich bin,
    Aber alle wollen stets,
    Dass du so bist wie sie.
    Sie sagen singe während du schuftest und ich langweil’ mich nur.
    Auf Maggies Hof, da arbeite ich nicht mehr.]
    Nach Elias’ Ansicht spiegelten sich die Notwendigkeiten der Selbstbeherrschung und die Einbettung des Einzelnen in ein Geflecht von Abhängigkeiten historisch

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