Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
unterzujubeln: „Ich bin traurig, weil ich gerne hätte, daß wir Wege finden, Respekt zu bekommen, ohne aus anderen Leuten Feinde zu machen. Sag mir doch bitte, ob du gemeinsam mit mir andere Möglichkeiten herausfinden magst, wie du den Respekt bekommen kannst, den du haben möchtest.“
Zwei Fragen, die deutlich machen: Strafen haben ihre Grenzen
Zwei Fragen helfen uns zu verstehen, warum es so unwahrscheinlich ist, daß wir das bekommen, was wir brauchen, wenn wir mit Strafen das Verhalten anderer Menschen verändern wollen. Die erste Frage lautet: Was hätte ich gerne, das diese Person tut im Gegensatz zu dem, was sie im Augenblick gerade macht? Wenn wir nur diese erste Frage stellen, dann kommt uns Strafe vielleicht wirkungsvoll vor, weil die Androhung oder Ausübung von strafender Macht das Verhalten eines Menschen sehr wohl beeinflussen kann. Mit der zweiten Frage wird jedoch deutlich, daß Bestrafung nicht funktionieren wird: Aus welchen Gründen hätte ich gern, daß die Person das macht, worum ich sie bitte?
Frage 1: Was hätte ich gern, das dieser Mensch tut?
Frage 2: Aus welchen Gründen hätte ich gern, daß er es tut?
Wir stellen uns selten die zweite Frage, aber wenn wir es tun, dann merken wir schnell, daß sich Strafe und Belohnung der Fähigkeit unserer Gesprächspartner in den Weg stellen, Dinge aus den Gründen zu tun, die uns wichtig sind. Ich glaube, daß es entscheidend ist, sich der Wichtigkeit der Beweggründe bewußt zu sein, weshalb jemand das tut, worum wir ihn oder sie gebeten haben. Wenn wir z.B. gerne möchten, daß die Kinder ihre Zimmer aufräumen, weil sie entweder den Wunsch nach Ordnung haben oder zur Freude ihrer Eltern über die Ordnung beitragen wollen, dann liegt es auf der Hand, daß Vorwürfe und Strafen keine effektiven Strategien dafür sind. Oft räumen Kinder ihr Zimmer auf, weil sie sich der Autorität beugen („Weil es meine Mutter gesagt hat“), weil sie Angst vor Strafe haben oder Angst davor, daß sich ihre Eltern aufregen und sie abgelehnt werden.
Die GFK fördert dagegen eine Dimension der ethischen Entwicklung, die auf Autonomie und gegenseitiger Rücksichtnahme basiert, in der wir die Verantwortung für unsere eigenen Handlungen übernehmen und in der uns bewußt ist, daß unser eigenes Wohlergehen und das Wohlergehen anderer Menschen ein und dasselbe sind.
Die beschützende Ausübung von Macht in Schulen
Ich möchte gerne davon erzählen, wie ich mit einigen Schülern die beschützende Machtausübung eingesetzt habe, um Ordnung in eine chaotische Situation an einer alternativen Schule zu bringen. Diese Schule war für Schüler da, die die Schule abgebrochen hatten oder vom regulären Unterricht ausgeschlossen worden waren. Die Schulverwaltung und ich hofften demonstrieren zu können, daß es einer Schule auf der Basis der GFK möglich ist, solche Schüler zu erreichen. Meine Arbeit bestand darin, die Lehrer in GFK zu trainieren und ihnen ein Jahr lang als Berater zur Seite zu stehen. Es standen mir nur vier Tage zur Verfügung, um das Kollegium vorzubereiten. Diese Zeit war für mich zu kurz, um den Unterschied zwischen GFK und „Laissez-faire“ ausreichend zu klären. Das Ergebnis war, daß einige Lehrer Konfliktsituationen oder störendes Verhalten einfach ignorierten, anstatt einzugreifen. Bedrängt von wachsendem Chaos stand die Verwaltung kurz davor, die Schule zu schließen. Als ich darum bat, mit den Schülern zu sprechen, die am meisten zu dem Durcheinander beigetragen hatten, wählte der Direktor acht Jungen zwischen elf und vierzehn Jahren aus, die sich mit mir zusammensetzen sollten. Es folgen Ausschnitte der Gespräche, die ich mit den Schülern führte.
MBR (Ich äußere meine Gefühle und Bedürfnisse, ohne bohrende Fragen zu stellen.): Ich bin sehr irritiert über die Berichte der Lehrer, daß hier in vielen Klassen alles drunter und drüber geht. Mir liegt wirklich viel daran, daß diese Schule ein Erfolg wird. Ich hoffe, daß ihr mir helfen könnt, die Probleme hier zu verstehen und sie in den Griff zu kriegen.
Will: Die Lehrer hier an der Schule – alles Deppen, Mann!
MBR: Willst du sagen, Will, daß du empört bist über die Lehrer und gerne möchtest, daß sie einiges von dem, was sie tun, verändern?
Will: Nein, Mann, das sind alles Deppen, weil sie einfach nur rumstehen und gar nichts machen.
MBR: Meinst du damit, daß du empört bist, weil du gerne hättest, daß sie sich mehr engagieren, wenn es Probleme gibt?
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