Gewitter der Liebe
augenzwinkernd hinzu: »Und als wohlhabend werde ich mich erst bezeichnen, wenn mir die halbe Stadt gehört.«
Ross lachte. »Ja, du hast das Zeug dazu, ein erfolgreicher Geschäftsmann zu werden; heute verkaufst du Goldgräberausrüstungen, in einem Jahr vielleicht Grundstücke.«
»Sicher nicht. Ich war Gemischtwarenhändler in Missouri und werde meiner Branche treu bleiben. Wie weit bist du eigentlich mit dem Hausbau?«
»Ich bin jeden Tag auf der Baustelle und treibe die Chinesen an. Im Sommer wird das Haus fertig sein, denke ich. Julia freut sich schon darauf, es einzurichten – und siehst du, schon aus diesem Grunde muss ich weiter nach Gold suchen.«
Insgeheim bezweifelte Nathan, dass Ross nur wegen ihr in die Goldfelder ging, doch er sagte nichts dazu. Julia hingegen, die den Männern Gesellschaft leistete, fühlte sich darin bestätigt, dass Ross nur ihr zuliebe all die Strapazen, die das Goldgräberdasein mit sich führte, auf sich nahm.
Trotz Ross’ Anwesenheit arbeitete Julia nach wie vor täglich in der Pension. Wenn es nichts zum Ausbessern gab, ging sie Mrs Garland zur Hand und erfuhr so von einigen Gästen, was sich in den Goldlagern abspielte.
Einige Lager waren mittlerweile zu kleinen Ortschaften herangewachsen, auch wenn die Häuser aufgegeben und verfallen würden, wenn kein Gold mehr im Fluss gefunden werden würde. Ähnlich wie in Blessed River gab es Geschäfte, einfache Pensionen und Vergnügungslokale, in denen sich die Männer nach getaner Arbeit amüsieren konnten.
»Aber die Preise dort sind sehr hoch, Madam«, erzählte ein Gast Julia bereitwillig, als sie ihm sein Essen an den Tisch brachte. »Für einen Teller Suppe bezahlt man einen ganzen Dollar – und es ist kaum Fleisch darin. Die Frauen mit ihren Suppenküchen werden bald reicher sein als die Goldsucher.«
Als Julia ihm scherzhaft vorschlug, ebenfalls eine Suppenküche im Lager zu errichten, lachte der Mann, musste aber zugeben, dass Kochen weniger Arbeit machte als das Hocken am schlammigen Flussufer.
Lilly sah Julia in diesen ersten Wochen des Jahres 1850 kaum, denn deren Hauptarbeitszeit war abends. Obwohl nun Ross zu Hause war, sehnte sich Julia oft nach der unbefangenen Freundin, die das Leben so nahm, wie es war.
Dass Lilly neuerdings auch als Hure arbeitete, verschwieg Julia Ross – warum sie das tat, wusste sie selbst nicht, denn er war sicher kein Mann, der naserümpfend auf leichte Mädchen herabblickte.
Und dann kam der Tag, vor dem Julia sich gefürchtet hatte. Ross teilte ihr mit, dass er am nächsten Tag aufbrechen wollte.
»Ich bleibe nur ein paar Wochen fort«, sagte er, bereits von innerer Unruhe getrieben, die er kaum zu verbergen vermochte. »In der Zwischenzeit werden die Chinesen das Haus fertigstellen, hoffe ich. Sie haben genaueste Instruktionen von mir erhalten, und wenn sie sich nicht daran halten, bekommen sie keinen Lohn von mir. Bist du nun zufrieden?«
Traurig schüttelte sie den Kopf. »Darum geht es mir doch gar nicht. Auf das neue Haus könnte ich verzichten, aber nicht auf dich.«
Er sah leicht gereizt aus, als er entgegnete: »Aber du wolltest ein eigenes Haus, nicht wahr? Nur deswegen suche ich wie ein Irrer nach Gold.«
So ganz stimmte das nicht, denn schließlich war der Vorschlag, ein eigenes Haus zu bauen, von ihm allein ausgegangen. Trotzdem senkte Julia schuldbewusst den Kopf und erwiderte nichts.
Versöhnlich nahm er sie daraufhin in die Arme. »Sieh mal, wir beide wollen doch eines Tages ein angenehmes Leben führen – deshalb sind wir hergekommen. Hast du das schon vergessen?«
»Selbstverständlich nicht«, gab sie kleinlaut zurück. »Verzeih mir meinen Egoismus, aber ich fühle mich so schrecklich einsam, wenn du fort bist.«
»Du bist doch nicht allein.« Er bedeckte ihr Gesicht mit kleinen Küssen. »Du hast Nathan und Lilly, die dich besuchen können. Mach mir bitte den Abschied nicht so schwer.«
Hastig setzte sie ein unbefangenes Lächeln auf, obwohl ihr eher zum Heulen zumute war. Doch Ross sollte kein schlechtes Gewissen haben, wenn er seiner Arbeit nachging. Eines Tages würde er ganz bei ihr bleiben, sagte sie sich. Eines Tages würde Ross so viel Gold finden, dass er eine Familie ernähren konnte – und dann würden sie endlich heiraten.
Allmählich wurde es Frühling in Kalifornien. Die hässlichen Nebelschwaden vom Meer verschwanden, die Winterstürme legten sich und die Luft wurde klar und erwärmte sich.
San Francisco wuchs und wuchs. Das Haus
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