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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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aus der Stadt hinaus, hinein in das dunkle Tal, über
dem die von einem portionierten Mondstück schwach beschienenen Wolken
dahintrieben.
    Weit entfernt, in den Tiefen des Weltalls, explodierte
gerade eine Supernova. Gewaltig! Und trotzdem, im Grunde galt für diese
Supernova der alte Spruch von wegen, daß schon wieder kein Schwein zuschaut.
Das ist der Punkt. Im Universum herrscht ein Überfluß an Galaxien und schwarzer
Materie und gewaltigen Nebeln, jedoch ein Mangel an Schweinen. Viel Aktion,
wenig Wahrnehmung.

16  |  Im Haus des Jägers
    Rorschachs Domizil lag völlig isoliert in der kleinen
Bucht eines leicht ansteigenden Waldrands, selbige Bucht ausfüllend. Eine alte
Villa, man könnte sagen, ein zur Villa mutiertes Knusperhäuschen mit mehreren
spitz zulaufenden Türmen, als wollte das Gebäude den umgebenden Wald imitieren,
sich tarnen. Aus den Fenstern strahlte altes Licht. Was ist altes Licht? Na,
das Gegenteil von neuem Licht.
    Um das zu begreifen, mußte man in das Haus hinein. Mußte die Räume
sehen, das Holz an den Wänden, die hohen, rustikalen, grüngekachelten Kamine,
die Polstermöbel, die geeignet schienen, nicht nur Geräusche, sondern ganze
Personen oder wenigstens Haustiere zu verschlucken. Die Bücherwände, die
Hirschgeweihe, die Teller in den Regalen, die Pokale in den Vitrinen, die
langen Teppiche, das Fehlen moderner Formen und moderner Farben. Dazu der
Geruch der Jahre, der Geruch des Waldes, der Holzscheite, der getrockneten
Pilze, dieser ganze Koboldgeruch, der Geruch von Ameisen und Käfern und
Spinnentieren, die dieses Gebäude trotz aller Sauberkeit bevölkerten. Und nicht
zuletzt eben das Licht, das durch die Schirme der Stehlampen und von den hohen
Lustern strömte. Altes Licht, ein bißchen erschöpft vom vielen Strahlen, vom
vielen Anleuchten der Gegenstände und Personen. Licht von gestern. Wie Brot von
gestern. Aber so, wie auch Brot von gestern einen satt macht, war dieses alte
Licht durchaus geeignet, die Dinge sichtbar werden zu lassen. Ohne sie freilich
gleich nieder- oder gar bewußtlos zu strahlen, wie neues Licht das gerne macht.
    Passend zu diesem rustikal-großbürgerlichen Ambiente, erschien nun
eine Hausdame vom alten Schlag. Eine schlanke, feinnervige, spitznasige,
strengäugige und sehr aufrecht dastehende Person, ungeschminkt, mit Lippen, wie
Kinder sie zeichnen, wenn sie versuchen, den Tod darzustellen. Die grauen Haare
waren zu einem festen Knoten zusammengebunden, ihre schmalen Hände vor dem
Unterleib gekreuzt. Sie grüßte Rorschach so kalt, wie es die Höflichkeit gerade
noch zuließ, sodann die beiden Gäste. – Es soll hier nicht gesagt sein, daß
diese Frau ein alter Nazi war, nur weil sie wie ein solcher aussah.
    Rorschach richtete sich fragend an Stirling und Lorenz: »Haben die
Herren Hunger?«
    Nun, die Brötchen im Bischöflichen Palais waren ziemlich klein
gewesen.
    Â»Seien Sie so lieb, Frau Brüel, und richten Sie uns eine
Kleinigkeit.«
    Â»An welche Kleinigkeit dachten Sie?« fragte Frau Brüel, ohne die
Kinderzeichnung in ihrem Gesicht zu bewegen.
    Â»Das überlasse ich Ihrer Phantasie«, meinte Rorschach gelassen.
    Frau Brüel spendete ihm einen giftigen Blick, wandte sich um und
verließ den Raum.
    Â»Unheimlich, die Frau«, kommentierte Lorenz.
    Â»Sie beherrscht dieses Haus«, erklärte Rorschach. »Und sie
vergöttert Mai. Es ist wie im Film. Sie haßt mich, weil sie meint, Mai hätte
etwas Besseres verdient. Und keine Frage, das hat sie ja auch.«
    Stirling und Mohn waren etwas beschämt ob dieser Aussage. Darum
waren sie ja nicht hier, um derartiges in Erfahrung zu bringen. Weshalb sie
sich nun der Einrichtung zuwendeten, den Büchern und Geweihen, die die Wände
schmückten. Rorschach betonte, daß beinahe alles in diesem Haus noch von den
Vorbesitzern stamme. Er selbst sei kein Jäger. Schon gar nicht Mai. Gleichwohl
hätten sie es so gelassen.
    Â»Merkwürdig«, kommentierte Rorschach die eigene Äußerung. »Wir
hatten nie das Bedürfnis, etwas zu ändern. Vielleicht, weil alles so perfekt
paßt. Häßlich, jawohl. Aber eben perfekt häßlich. Dazu kommt, daß diese
Einrichtung so gut mit unserer Frau Brüel harmoniert. Und wie ich schon
angedeutet habe, ist Frau Brüel sakrosankt. Eher schickt mich meine Frau zum
Teufel.«
    Wenig später erschien

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