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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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die sakrosankte Person und stellte ein Tablett
mit Wurst und Brot und Käse auf den Tisch. Dazu Teller und Besteck. So einfach
wie präzise. Bestes Brot, beste Wurst, bester Käse. Doch null Schnickschnack.
    Â»Danke, Frau Brüel«, sagte Rorschach. »Ich denke, wir haben jetzt
alles.«
    Â»Dann kann ich mich zurückziehen?« stellte die Frau eine Frage, die
keine war.
    Â»Natürlich, Frau Brüel.«
    Meine Güte, wie das alles klang. Na, es klang nach altem Licht.
    Man saß also zu dritt zusammen, verspeiste so einfache wie
ausgezeichnete Wurst- und Käsebrote, wechselte anschließend zum Cognac und
unterhielt sich noch ein wenig über Urvögel und Schubert-Lieder, über die alte
Villa und das Leben in Eichstätt, das ganz eigenen Gesetzen zu folgen schien.
Die Welt war anderswo. Auch Deutschland war anderswo. Man konnte den Eindruck
bekommen, daß sich Rorschach wie ein Gefangener in einem bösen Märchen fühlte.
Dies wiederum nicht ohne Lust.
    Und ein wesentlicher Grund für diese Lust stand nun mit einem Mal in
der Zimmertür: Mai Hillsand. Ohne Klavierbegleiter und ohne Kardinal wirkte sie
noch schöner als zuvor. Lorenz Mohn erhob sich augenblicklich. Stirling folgte
nach.
    Â»Bleiben Sie ruhig sitzen, meine Herren«, sagte Mai. Wenn sie sprach – und das war wirklich ein Wunder –, dann eben nicht auf diese outrierte,
blödelartige Weise der meisten Sängerinnen klassischer Musik, deren Redestil
dem Gehstil von Gewichthebern vergleichbar ist, dem Gehen mit überbreiten
Oberschenkeln. Bei Hillsand war das anders. Keine Oberschenkel. Sie sprach klar
und ungekünstelt. In dieser Hinsicht eher an die Käsebrote erinnernd.
    Rorschach stellte seine beiden Gäste vor.
    Â»Polizei?« staunte Hillsand.
    Â»Es geht um einen…«
Stirling zögerte. »Ja, man kann sagen, einen Kollegen aus der Paläontologie,
der ermordet wurde.«
    Â»Aha. Und man verdächtigt also meinen Mann?«
    Â»Nein, das tun wir nicht.«
    Â»Schade eigentlich«, meinte Mai Hillsand und ließ sich in einem
Fauteuil nieder.
    Â»Wieso das?« fragte Stirling.
    Â»Ein Verbrechen würde Max sicher guttun. Ich meine, es würde ihm ein
wenig Ausstrahlung verleihen.«
    Â»Pardon, damit können wir nicht dienen«, sagte Stirling. »Herr
Rorschach hilft uns nur, den Toten etwas besser kennenzulernen.«
    Â»Da kann man nichts machen«, meinte Hillsand. Sie schien ehrlich
enttäuscht.
    Es zeigte sich in der Folge, daß das Ehepaar Rorschach &
Hillsand nur noch in einer zynischen Weise miteinander kommunizierte. Sie
gehörten zu jenen Menschen, die sich in tiefer Verachtung verbunden waren.
    Für Unbeteiligte ist so etwas immer ein Problem. Was soll man tun?
Partei ergreifen? Vernunft einfordern, wo die Vernunft barfuß über Glasscherben
laufen muß? Sich amüsiert geben? Streng sein?
    Nun, man kann auch die Flucht antreten. Das tat Stirling jetzt,
indem er äußerte, nach einem langen Tag rechtschaffen müde zu sein.
    Â»Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer«, sagte Rorschach und erklärte, sich
danach in sein Labor zu begeben und eine Untersuchung des ominösen Steins
vorzunehmen.
    Â»Was für ein Stein?« wollte Mai wissen.
    Â»Kein Stein wie du. Eher ein Stein, der lebt«, sagte Rorschach und
erhob sich.
    Â»Sehr originell!« höhnte Mai. »Das würde dir passen, einen Stein zum
Leben zu erwecken. Damit du endlich jemanden hast, mit dem du spielen kannst.«
    Was auch immer sie damit sagen wollte, Rorschach tat es mit einem
Achselzucken ab und gab Stirling zu verstehen, ihn hinauf zu den Gästezimmern
führen zu wollen.
    Eigentlich wäre es angemessen gewesen, daß Lorenz die Möglichkeit
genutzt hätte, sich ebenfalls zurückzuziehen. Aber er blieb sitzen. Er war noch
immer viel zu sehr von der Präsenz der großen Sängerin beeindruckt. Er konnte
jetzt nicht gehen.
    Â»Gute Nacht«, wünschte Rorschach, wie man wünscht: Ab morgen möchte
ich Witwer sein.
    So blieben Mai und Lorenz alleine zurück. Mai wechselte die Position
ihrer übereinandergeschlagenen Beine und nahm sich eine Zigarette. Eine
rauchende Schubert-Sängerin war schon etwas Unerhörtes heutzutage.
    Lorenz kam herüber und gab ihr Feuer. Dann setzte er sich wieder und
sprach: »Darf ich das sagen, Frau Hillsand, wie wunderbar es war, Ihnen heute
zuzuhören?«
    Â»Das darfst

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