Gewitter über Pluto: Roman
du. Und du darfst zwischen meine Beine kommen«, bewies
die groÃe Sängerin einen gewissen Hang zum Direkten.
»Bitte?«
»Wenn du nicht willst, bringt mich das auch nicht um. Aber du
gefällst mir. Was trotzdem kein Grund ist, jetzt noch zwei Stunden um die Sache
herumzureden. In zwei Stunden bin ich todmüde und will nur mehr schlafen. â
Also, was ist?«
Lorenz war erstarrt. Erstarrt im Angesicht einer quasi
pornographischen Konstellation, wie er sie zwar aus eigener Erfahrung kannte,
aber eben auch nur aus dem Film. Nichts jedenfalls, wonach er sich sehnte.
Einerseits. Andererseits empfand er ein tiefes Verlangen nach dieser Frau, die
keine drei Meter von ihm entfernt saà und sicher nicht ewig warten würde, bis
er sich bequemte, ihrer Einladung zu folgen. Lorenz spürte, daà es auf Sekunden
ankam. Daà eine Frau, die schlieÃlich ein Gott war (nicht eine Göttin, das ist
etwas anderes), mit derselben Leichtigkeit, mit der sie ihn aufgefordert hatte,
»zwischen ihre Beine zu kommen«, sich erheben, ihn stehenlassen und ohne
weiteren Kommentar aus dem Raum verschwinden könnte.
Lorenz löste sich von seinem Sessel. Mai, die zwischenzeitlich einen
schwarzen Rock trug, schien ihr Angebot vollkommen wörtlich gemeint zu haben,
denn sie rutschte ein wenig nach vorn und schob ihre langen Beine so
auseinander, daà der Rock sich spannte und eine tunnelartige Röhre bildete.
Natürlich dachte Lorenz an Sera. Dachte daran, daà er Sera heiraten
wollte. Aber das hier war etwas anderes. Nicht bloà darum, weil er ja Mai
Hillsand niemals würde heiraten können. Nein, was sich da anbahnte, stand fern
des Vergleichbaren und Bewertbaren, sondern es geschah in einer
auÃerordentlichen Nische, man könnte sagen, auf einer Insel in der Mitte des
Ozeans, gleichzeitig zentral und entlegen. Gleichzeitig wirklich und
unwirklich. Gleichzeitig Sakrament und Sakrileg.
Nun, zumindest war das eine Interpretation, die es Lorenz ermöglichte,
sich auf diese Frau zuzubewegen, ohne sich vorhalten zu müssen, jetzt gleich
einen Betrug an seiner Geliebten zu begehen.
Er kniete sich vor Mai hin, faÃte ihre bestrumpften Knie, schob
seine Daumen unter den Saum des Rocks und führte denselben rumpfwärts. Dann
griff er nach den dünnen Bändern ihres Slips, Mai hob ihr Becken an, und Lorenz
zog den Slip in einer flieÃenden Bewegung über die Beine.
Mai öffnete ihre Lippen wie ein Auge, das nach einem langen Schlaf
durch die schmale Spalte der Lider blinzelt. Ihre Stimme war jetzt weich und
duldsam, als sie sagte: »Komm!«
Genau das tat Lorenz, er kam zu ihr. Ohne Scheu, aber auch ohne die
geringste Heftigkeit. Ganz im Stil eines guten Gesprächs, wenn keiner den
anderen unterbricht.
Mai und Lorenz blieben bei alldem angezogen. Mai unterlieà es sogar,
ihre Bluse aufzuknöpfen. Weshalb wiederum Lorenz darauf verzichtete, nach ihrer
Brust zu greifen. Es kam nicht einmal zu einem KuÃ. Selbst der wäre unpassend
gewesen. Ein Kuà von Mund zu Mund hätte eine Vertrautheit hergestellt, die sich
nicht gehörte. Nicht zwischen einem Gott und einem Menschen. Nein, es war schon
richtig so, daà Lorenz sich ausschlieÃlich darauf konzentrierte, mit seiner
Zunge über Mais Geschlecht zu streifen und sie in einer wellenförmig
ansteigenden Weise dorthin zu bringen, wo eine Frau, auch wenn sie ein Gott
war, hinwollte: zu einem Orgasmus, der dieser Frau ganz alleine gehörte, der
niemandem nutzte auÃer ihr selbst. Das ist nicht selbstverständlich. Viele
Männer meinen, sich an einem solchen Orgasmus beteiligen zu müssen, wollen ihn
dramatisch heraufbeschwören, versuchen ständig, die eigene Person in Erinnerung
zu bringen. Nicht so Lorenz, dessen gefühlvolles Agieren ohne Gefühl blieb,
ohne Ausrufezeichen, ohne Hybris, ohne Ornament. Ornament und Sex vertragen
sich nicht so gut, das wuÃte er, gerade weil er so viel damit zu tun gehabt
hatte. Er wuÃte um die Fehler und konnte sie vermeiden, wenn dies gewünscht
war. Und es war gewünscht.
Â
Im Haus des Jägers
legt sich Staub auf die Dinge.
Ein Gott lacht.
Â
Als es Mai kam, schlug sie das Auge ihres Mundes weit auf
und entlieà einen Ton. Nicht etwa einen Schrei oder ein gesprochenes Wort,
nein, einen Ton, der wie ein langes Band funktionierte, ein Band, das eine Schleife
um die Luft zog, sodaà diese Luft, diese vom altem Licht
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