Gewitter über Pluto: Roman
beschienene Luft, für
einen Moment einen feierlichen und geschenkartigen Eindruck machte. Und sosehr
Mai mit ihrem Orgasmus ganz alleine war, so war dieses Geschenk dennoch â
dieser eine lange Ton â für Lorenz bestimmt. Das spürte er. Und seine
Dankbarkeit war grenzenlos. Grenzenlos und stumm.
Er löste sein Gesicht von ihrem Geschlecht und ging in die Höhe. Mai
Hillsand richtete sich in ihrem Fauteuil ein wenig auf, schob sich den Rock
wieder über die Schenkel und griff nach ihrem Slip, den sie aber in der Hand
behielt. Dann sah sie zu Lorenz auf, betrachtete ihn mit ihren fein
geschwungenen Raumschiffaugen und fragte: »Was ist? Meinst du, ich sing dir
jetzt ein Lied?«
»Wohl kaum«, sagte Lorenz. Er lächelte. Dann wünschte er eine gute
Nacht und verlieà den Raum.
Ãber eine breite Treppe stieg er nach oben. Er sah Licht, das durch
eine offene Türe fiel. Er betrat den Raum, in dem ein breites, frisch
überzogenes Bett stand. Er schloà die Türe hinter sich und trat ans Fenster. Er
fühlte sich gut und schlecht zugleich. Gut wegen Gott, schlecht wegen Sera.
Aber manche Dinge gehen eben nur schwer zusammen. (Er kam übrigens in keinem
Moment auf die Idee, daà das, was er hier getan hatte, vielleicht doch so etwas
wie eine insgeheime Rache gewesen war, Rache, welche darin begründet lag, daÃ
Sera ihm die Wahrheit verschwiegen hatte, indem sie mit keinem Wort erwähnt
hatte, einst mit einem Mann namens Nix verheiratet gewesen zu sein.)
Lorenz verzichtete darauf, das kleine Badezimmer zu benutzen. Man
hätte meinen mögen, daà er, weil er zwischen den Beinen einer der gröÃten
Schubert-Sängerinnen aller Zeiten gewesen war, sich nie wieder das Gesicht
waschen wollte. Vielleicht jedoch war er einfach nur erschlagen vom Tag und den
Ereignissen. Er zog sich aus, legte sich nackt aufs Bett und schlief im
goldgelben Schein nicht nur alten, sondern sogar sehr alten Lichts auch sofort
ein.
17 |  Frühstücksstein
Da die Schlafzimmer nach hinten führten und direkt am
dichten Wald lagen, war es nicht das einfallende Tageslicht, das Lorenz weckte,
sondern seine innere Uhr, die ebensogut funktionierte wie sein tiefer, fester
Schlaf. Punkt sieben, wie immer. Oder fast immer. Zeitumstellungen und
Zeitzonen brachten ihn durcheinander. Aber jetzt war es keine Zeitzone, die
eine Verwirrung bei ihm auslöste, sondern die Erinnerung an die vergangene
Nacht. Jenes Argument vom Vorabend, daà Sex mit einem Gott, Sex mit einer
gottgleichen Schubert-Sängerin, nicht nur auÃerhalb der üblichen Praxis stand,
sondern zudem in keiner Weise den Tatbestand des Betrugs erfülle, des Betrugs
an der Frau, für die er angeblich sofort bereit gewesen wäre durch die Hölle zu
gehen, dieses Argument erschien ihm nun ziemlich schal, wie die meisten Dinge,
die in der Frühe ihren vollen Geschmack eingebüÃt haben. â Der Morgen wurde
erfunden, damit der Mensch sich schlecht fühlt. Vom Trinken, vom Essen, vom
Sporteln, von jeder Art der Ãbersteuerung. Daà der Morgen auch ausgeruhte
Menschen erlebt, die absolut nichts bereuen, mag sein, aber in der Regel sind
das Leute, die am Abend zuvor jegliches Wagnis, jede noch so kleine Aufwallung
tunlichst vermieden haben. Die also ihre Abende der Sittenstrenge opfern, nur
um am Morgen vollkommen ausgeruht aus dem Bett zu springen und bekennen zu
können, daà die beste Art, einen Fehler zu vermeiden, die ist, einen Fehler zu
vermeiden.
Lorenz glitt mit verzogenem Rücken von der viel zu weichen Unterlage
und wechselte in das kleine Badezimmer, wo er sich unter die Dusche stellte. So
sind erwachsene Männer halt. Keine kleinen Buben mehr, welche die Konsequenz
besitzen, einer einzigen Berührung wegen tage- und wochenlang aufs Waschen zu
verzichten.
Er zog sich ein frisches Hemd über, schlüpfte in seinen
silbergraublauen Anzug, verlieà das Zimmer und stieg hinunter. Dabei lief er
Frau Brüel über den Weg, die ihm einen durchaus freundlichen Blick zuwarf und
ihn in einen kleinen, erkerartigen, mit einem rippigen Gewölbe ausgestatteten
Raum führte, in welchem das Frühstück serviert wurde.
Hier nun fiel das morgendliche Licht ungebremst durch die Scheiben.
Neues Licht, wie man sagen müÃte. Aber gutes neues
Licht, milde noch und sanft.
Lorenz war der erste. Er setzte sich und sah hinaus auf die Landschaft,
die friedlicher nicht sein
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