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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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das
Thema dann bedauerlicherweise guillotiniert ist.
    Auf X besteht nun die Theorie von einem endlichen, sich jedoch
wiederholenden Universum, einer Universumschleife. Und bemerkenswerterweise ist
in einer dieser Theorien sogar von einer »immerwährenden Teegesellschaft« die
Rede, ohne daß auf X je ein Buch im Stile der Alice-Geschichte geschrieben
worden wäre. Einige unserer Wissenschaftler entwickelten das Bild eines sich
nach Ewigkeiten wieder zusammenziehenden, wieder zu einem winzigen Punkt
schrumpfenden Universums, worauf ein erneuter Urknall folgt und sodann eine in
der bekannten Manier vonstatten gehende Weltallentwicklung. Woraus in weiterer
Konsequenz ein Leben auf X resultiert, das gänzlich dem alten Muster
entspricht. Jedes Wort wird noch einmal gesagt, jedes Glück und Unglück noch
einmal gelebt. Aber so ganz gleich ist es eben doch nicht, da in jeder Person
und in jedem Ereignis das Potential dessen steckt, was zuvor schon mal passiert
ist. Das Individuum kommt also vor einer Teetasse zu sitzen, aus der es schon
einmal getrunken hat. Der Tee mag frisch sein, heiß, warm, gesüßt,
ausgezeichnet, aber das Geschirr ist schmutzig. Das spürt der Trinkende. Es
läßt ihn unbewußt ahnen, eine bloße Wiederholung zu leben, sich folglich nicht
zum ersten Mal im Angesicht dieses Gedecks zu befinden. Man kann sagen, daß der
Grad der Verbitterung ob dieser gefühlten Mutmaßung zunimmt. Denn das Geschirr
wird ja von Mal zu Mal schmutziger. Immer bleibt es, um wieder mit dem
Hutmacher zu sprechen, sechs Uhr. Der Grad der Verbitterung ist demnach die
einzige Größe, die sich verändert, wenn auch ohne Auswirkung auf die
Handlungen. Der einzelne wird nicht etwa böser. Nur verbitterter.
    Doch die Frage ist: Verbitterter wegen der Determination des Lebens
oder wegen der schmutzigen Teetassen? Denn paradoxerweise beweisen die
Teetassen ja das Prinzip der Wiederholung, andererseits bringen sie dank der
zunehmenden Verunreinigung die Wiederholung um ihre Absolutheit. Etwas
verändert sich, etwas nimmt zu, der Dreck und die Verbitterung über den Dreck.
    Natürlich klingt das bei unseren Wissenschaftler weniger salopp und
weniger zynisch. Aber diese Wissenschaftler kennen ja auch keine Alice und
keinen Hutmacher und kein Grinsen ohne Katze.
    Es war bereits nach sechs, als ich in Singen ankam. Wobei
ich durchaus die Tugend der Pünktlichkeit pflege. Aber sogar mit Tugenden muß
man haushalten können. Ständige Pünktlichkeit wirkt ein wenig phantasielos, als
würde einem halt nichts Besseres einfallen. Als sei man zu faul oder zu dumm,
intelligente Ausreden zu entwickeln. Und es ist ja mitunter ein größerer
Ausdruck von Zuneigung oder Hochachtung, jemanden mit einer brillanten Ausrede
zu beglücken, als einfach pünktlich zu sein wie tausend andere auch. Am
schrecklichsten freilich ist gedanken-, geist- und ideenlose Unpünktlichkeit.
Die bleibt das Maß aller Undinge.
    Im konkreten Fall war es so, daß ich es sinnvoll fand, die Leute,
mit denen ich es bei dieser Übergabe zu tun haben würde, ein wenig zu verunsichern.
Keinesfalls wollte ich ihrer wenig charmanten Einladung auf den Punkt genau
folgen. Oder wie ein übereifriger Gymnasiast bei seinem ersten Rendezvous
dastehen.
    Das Gebäude war ein häßlicher, mit einer kaffeebraunen Verschalung
ausgestatteter Bürobau. Am Eingang hingen die üblichen Firmenschilder: eine
Versicherung, eine Anwaltskanzlei, Handelsunternehmen, ein Reisebüro, und
mitten drin – im Stil eines historischen Futurismus – der Schriftzug MINIBAR ohne Hinweis auf die
eigentliche Funktion.
    Ich drückte die nebenstehende Taste. Nach ein paar Sekunden sprang
die Glastüre auf, und ich betrat das Treppenhaus. Wie immer mied ich den Aufzug
(es ist ein offenes Geheimnis, daß nicht wenige Menschen in Aufzügen
verschwinden, ein Geheimnis, welches die Bauwirtschaft, die Architekten und
nicht zuletzt die Hersteller von Aufzügen mit aller Macht unter den Teppich zu
kehren versuchen) und stieg die Stockwerke hoch.
    Im dritten fand ich es. MINIBAR .
Weiße Schrift auf hellblauem Hintergrund, was eher nach einer kosmetischen
Beratung aussah. Zudem hörte ich weder Stimmen noch Musik. Das änderte sich
aber schlagartig, als ich die Klinke drückte. Ein Schwall schlug mir entgegen,
ein Schwall nicht nur aus Tönen, sondern vor allem aus Gerüchen, eine Mischung
aus

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